: Ins Gleichgewicht aus eigener Kraft
■ Möglichkeiten und Grenzen: Die Traditionelle Chinesische Medizin ist ein hochwirksames Naturheilverfahren, das die Selbstheilung fördert und bis in die Steinzeit zurückverfolgt werden kann. Nebenwirkungen gibt es kaum, chirurgische Eingriffe allerdings auch nicht
Kurz vor der Jahrtausendwende spielen in der Diskussion um Gesundheit und Wohlbefinden drei Phänomene eine entscheidende Rolle: Die führende Rolle der westlichen Medizin führt sich in vielen Ländern zunehmend selbst ad absurdum, weil der Graben zwischen den wissenschaftlichen Möglichkeiten und der praktischen Durchführbarkeit vieler medizinischer Anwendungen, auch in finanzieller Hinsicht, tiefer wird. Zugleich wächst das Bedürfnis von Erkrankten nach echter Hilfe, nach ganzheitlicher Behandlung und individueller Unterstützung bei der Gesundung. Und drittens werden im Zuge der Globalisierung zunehmend auch die Vorteile zunächst wenig vertrauter, zugleich aber auch faszinierend exotischer Heilverfahren untersucht und geprüft.
Dabei liegen die Hauptunterschiede der Traditionellen Chinesischen Medizin, kurz TCM genannt, zur westlichen Medizin im ganzheitlichen Ansatz, den Menschen in seiner Stellung zur persönlichen Umwelt und den Organismus als Einheit verschiedener Kräfte zu betrachten. Sie arbeitet regulativ, das heißt, die natürlichen Körperfunktionen werden dahingehend stimuliert, dass sie aus eigener Kraft ins Gleichgewicht kommen. Und über ein ausgewogenes Verhältnis aus Ernährung, Bewegung und Entspannung erzielt sie auch entscheidenden Einfluss auf die Pflege und Erhaltung der Gesundheit, sodass durch entsprechende Prävention zahlreiche Erkrankungen vermieden werden können. Schließlich ist auch der Kostenaufwand äußerst gering, da anstelle aufwendiger Geräte der Mensch im Mittelpunkt der persönlichen Behandlung steht.
Gesundheit als Ziel aller Bemühungen innerhalb der TCM wird als Gleichgewicht der Kräfte Yin und Yang gesehen. Diese gegensätzlichen Energien sind verantwortlich für den Fluss der Lebensenergie Qi auf den Meridianen, die alle Organe und alle Teile des Organismus versorgen. Gesundheit und Wohlbefinden resultieren aus einem gleichmäßigen Fluss von Qi auf allen Meridianen, was das Ziel aller präventiven und therapeutischen Anwendungen ist: Akupunktur, Tui Na (Akupressur, und Chirotherapie), Moxibusation, Arzneimittel aus pflanzlichen oder tierischen Substanzen, Diätetik, Qi Gong und Taj Chi als heilgymnastische Bewegungsformen.
Nachdem die Tradition der TCM, die bis in die Steinzeit zurückverfolgt werden kann, heute in vielen asiatischen Staaten als hochwirksames und nebenwirkungsarmes System geschätzt wird, finden sich auch hierzulande zunehmend mehr Behandler in Praxen oder Kliniken, die Teile dieses Erfahrungsschatzes erfolgreich auf westliche Lebensverhältnisse übertragen. Grundsätzlich können nahezu alle Beschwerden mit TCM behandelt werden, besonders gute Erfolge lassen sich erzielen in der Schmerztherapie, bei Erkrankungen des Bewegungsapparates, Migräne, Tinnitus, Raucherentwöhnung und Übergewicht.
Dem Verständis der Wirkungsweise folgend liegen die Grenzen in der Anwendung der TCM in erster Linie beim Anwender selbst, da die Gesamtheit der möglichen Ursachen und Folgen von Beschwerden nicht leicht zu verstehen ist. Dennoch lassen sich Teile davon, besonders bei den soeben beschriebenen Beschwerdebildern, mit gutem Erfolg anwenden. Eine andere Grenze liegt in der Fähigkeit des Organismus zur Eigenregulation, das heißt, ein gewisses Maß an Energie und Ressourcen zur Regeneration muss einer erfolgreichen Behandlung zugrunde liegen. Und schließlich gibt es innerhalb der TCM keine Chirurgie, bei fachgerechter Anwendung sind jedoch chirurgische Eingriffe teilweise vermeidbar.
Aufgrund des regulativen Wirkmechanismus und der geringen Nebenwirkungen zählt die TCM zu den Naturheilverfahren. Und wie die meisten Naturheilverfahren hat sie Vorteil für die Betroffenen, dass der Erfolg durch Mitarbeit an der Verbesserung oder Erhaltung der eigenen Gesundheit wesentlich gesteigert wird. Ernährung, Bewegung und Selbstbehandlung mit Anwendungen aus der TCM werden an Berliner Volkshochschulen unterrichtet und haben einen großen Wert für unser aller höchstes Gut: die eigene Gesundheit. Stephan Meyer
Der Autor ist Heilpraktiker bei der Schule für Naturheilkunde. Bei den Gesundheitstagen hält er am So., 14.11., 12 Uhr bis 13.30 Uhr, einen Vortrag über die TCM.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen