Innenpolitiker der Opposition: „Natürlich können wir regieren“
Fünf Jahre lang haben sie im Innenausschuss Rot-Schwarz angegriffen. Jetzt ziehen Udo Wolf (Linke), Christopher Lauer (Piratenfraktion) und Benedikt Lux (Grüne) Bilanz.
taz: Herr Wolf, Herr Lauer, Herr Lux, wer von Ihnen ist der nächste Innensenator?
Schweigen.
Christopher Lauer: Jetzt kommt so eine typische Politikerantwort: Wir sind alle froh, wenn Frank Henkel nicht mehr Innensenator ist.
Typisch Lauer, drängelt sich vor. Auch im Innenausschuss stahl er Ihnen ständig die Show. Herr Lux und Herr Wolf, hat Sie das genervt?
Udo Wolf: Genervt hat er manchmal schon. Aber Christopher gebührt ein großes Verdienst: Er hat in der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses einen verstaubten Paragrafen gefunden. Damit konnten wir gemeinsam die flächendeckende Videoüberwachung stoppen. Großartig!
Eigentlich war die vom rot-schwarzen Senat ja schon beschlossen. Jetzt hatte die SPD-Fraktion eine Möglichkeit, hier einen Rückzieher zu machen.
Wolf: Das Gesetz wäre eine Katastrophe gewesen. Die SPD hat gemerkt, dass sie bei einem wichtigen Teil des rot-rot-grünen Wählerspektrums nicht punkten kann, wenn die CDU damit durchkommt.
Mai: Robbin Juhnke (CDU) schimpft auf das Spardiktat des rot-roten Vorgängersenats. Er spricht vom „Fetisch“ der Linkspartei. Die SPD verschont er. Christopher Lauer (Piratenfraktion) zu Juhnke: „Das ist so, als ob Sie Ihrem Zwillingsbruder sagen, dass er eine doofe Mutter hat.“
April: Auf Antrag von CDU und SPD gibt es einen langen Powerpointvortrag über Europol. Lauer: „Die Infos hätten wir uns auch bei Wikipedia holen können.“
März: Lauer zu Kurt Wansner (CDU): „Ich schäme mich für Sie. Es gibt da draußen so viele intelligente Menschen und Sie sitzen hier und pöbeln rum.“ Wansner zu Lauer: „Ich verstehe Ihre Verzweiflung. Ihre Partei wird ja auch nicht wiedergewählt.“
Februar: Innensenator Frank Henkel (CDU) kommentiert die negativen Schlagzeilen über sich: „Bei jedem anderen schreiben sie: Toll, der kann übers Wasser laufen. Bei mir heißt es: Der muss übers Wasser laufen, weil er nicht schwimmen kann“. (plu)
Lauer: Die Anzahl der Leute, die sich in Deutschland für Bürgerrechte interessieren, ist ja überschaubar. Aber sie sind Multiplikatoren. Dann hätte es wieder geheißen: „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!“ Hoffentlich erkennt die SPD, dass sie keinen Blumentopf gewinnen kann, wenn sie der CDU immer innenpolitisch hinterher rennt.
Warum traut sich bei der Frage nach der Henkel-Nachfolge keiner aus der Deckung? Herr Lux, sonst sind Sie doch nicht so zurückhaltend.
Benedikt Lux: Das Innenressort ist sehr schwierig. Auch Henkel wollte es nicht. Das Ressort hat einen riesigen Personalkörper, es herrscht Reformstau. Auch in der nächsten Koalition wird es eines der unattraktivsten sein.
Wieder so ein Politikerblabla.
Lux: Ich habe am Wochenende geheiratet und bin noch nicht wieder vernehmungsfähig (lacht). Aber das, was ich zum Innenressort gesagt habe, meine ich ernst. Es gab dort viele Personalrochaden und Blockaden in den letzten Jahren; es ist unklar, wer zuständig ist für den öffentlichen Dienst, die Digitalisierung und die Bürgerämter. Da kann man nicht wirklich gestalten. Die Ressorts Stadtentwicklung, Bildung und Finanzen sind da tausendmal interessanter.
Wolf: Ich mache meinen Job als Fraktionsvorsitzender sehr gerne und möchte ihn auch weitermachen. Die Frage, welche Senatsressorts wir nach der Wahl beanspruchen, steht sinnigerweise am Ende von Koalitionsverhandlungen. Das sollten auch Journalistinnen und Journalisten wissen.
Rumspinnen darf man ja mal.
Wolf: Selbstverständlich sind wir in der Lage zu regieren, und zwar am besten in der Dreierkonstellation Rot-Rot-Grün. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.
Sprechen wir über die Polizei: Egal wie die Wahl ausgeht, Klaus Kandt bleibt als Polizeipräsident erhalten. Welches Zeugnis stellen Sie ihm nach drei Dienstjahren aus?
Lux: Drei minus.
32, sitzt seit 2011 für die Piraten im Abgeordnetenhaus. Er ist innen- und gesundheitspolitischer Sprecher seiner Fraktion. Im Herbst verabschiedet er sich aus dem Parlament
Lauer: Er ist zwar nicht Margarete Koppers, aber er arbeitet anscheinend eng mit der Vizepräsidentin zusammen. Mich hat positiv überrascht, dass die Polizei von sich aus den Genehmigungsprozess für die kriminalitätsbelasteten Orte neu organisiert hat. Das zeigt, Kandt ist kritisch. Aber er ist natürlich auch CDU.
Wolf: Klaus Kandt ist schlecht gestartet, er hat in Sachen Racial Profiling viel Unsinn erzählt. Aber er ist nicht beratungsresistent. Wenn er von der Opposition, von Bürgerrechtlern auf Missstände hingewiesen wurde, hat er versucht, das aufzuklären.
Ist die Polizei progressiver als ihr Dienstherr Henkel?
Lux: Definitiv, zumindest ein Teil der Polizei.
Was sind die brennendsten innenpolitischen Themen?
Wolf: Ein unabhängiger Polizeibeauftragter ist ganz wichtig. Und die Deeskalationsstrategie, die in dieser Legislaturperiode auf der Strecke geblieben ist.
35, ist innenpolitischer Sprecher der Grünen und parlamentarischer Geschäftsführer. Der Rechtsanwalt ist seit 2006 Mitglied im Abgeordnetenhaus. Er ist auch für Drogenpolitik zuständig
An welchen Orten zum Beispiel?
Wolf: Beim Einsatz im April in der Alice Salomon- Hochschule. Die Polizei hat sie während einer Nazidemo regelrecht gestürmt, weil dort ein Transparent gegen rechts aus dem Fenster hing. Vermittlungsangebote des Rektors wurden abgelehnt. Zeitgleich zeigten die Nazis vor der Tür den Hitlergruß – und die Polizei hat nichts gemacht. Das war das Gegenteil von Deeskalation.
Wo noch?
Wolf: Dass die Polizei im Januar im Hausprojekt Rigaer94 mit 550 Beamten eine Hausbegehung machte, ohne einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss zu haben. Und jetzt aktuell die Räumung der Kadterschmiede, ebenfalls in der Rigaer.
Was wäre Ihre Strategie?
Lauer: Henkel macht einen Larry und schickt da möglichst viele Polizisten rein, um die Leute zu schikanieren. Das ist doch keine Strategie. Unter dem letzten Innensenator gab es die Praxis, dass man mit radikalen Linken den Dialog gesucht hat.
Henkel sagt, der Rechtsstaat sei nicht verhandelbar. Kann man mit den Leuten in der Rigaer denn reden?
53, ist Fraktionschef der Linkspartei. Seit 2001 sitzt der Publizist, der Politikwissenschaften studiert hat, im Abgeordnetenhaus. Von 2001 bis 2011 haben Linke und SPD in Berlin zusammen regiert
Lux: Ich glaube schon.
Runde Tische sollen die Probleme lösen – ist das Ihr Ernst?
Lauer: Nee. Man braucht einen Verhandlungsführer, der Erfahrung damit hat, verfeindete Volksgruppen zu einen. Die Leute aus dem alternativen Wohnprojekt, die Anwohner, der Bezirk und das Land Berlin – alle brauchen einen Fürsprecher, und dann einigt man sich auf Dinge. Zum Beispiel, dass die Leute der Rigaer94 dort wohnen können, ohne Angst zu haben, geräumt zu werden.
Und die Anwohner der Neubauten brauchen keine Angst mehr zu haben, dass ihnen mit Zwillen in die Kinderzimmer geschossen wird?
Lauer: Genau. Die Leute dort wissen: Unsere Yuppie-Plattenbauten werden nicht mit Farbe beworfen, unsere Autos werden nicht angezündet und keine Scheiben eingeworfen. Das Ziel muss eine friedliche Koexistenz sein. Das klingt heute ja ziemlich altmodisch.
Lux: Das ist aber eine Eskalationslage, die man aus der Opposition heraus nur mahnend auflösen kann. Momentan ist die Stimmung auf allen Seiten so vergiftet, dass erst mal Ruhe ins Spiel gebracht werden muss. Eine Möglichkeit wäre, das Haus zu kaufen. Bei vielen der ehemals besetzten Häuser in Friedrichshain hat das Anfang der 90er Jahre auch funktioniert. Aber dafür muss man eine Akzeptanz in der Stadt haben. Vor der Wahl wird das bestimmt nichts mehr.
Herr Wolf, Ihre Meinung?
Wolf: Ich gebe meinen Kollegen recht. Voraussetzung, um überhaupt ins Gespräch zu kommen, wäre, diesen Polizeibesatzungszustand in der Straße aufzuheben. Dabei gilt wie immer das Grundprinzip bei Friedensverhandlungen: Einseitige Abrüstung kann das Vertrauen erhöhen, dass sich die andere Seite wieder an den Tisch setzt. Außerdem sollte man versuchen, die Streifentätigkeit der Polizei so hinzukriegen, dass der eine oder andere Brandstifter erwischt wird. Die gerade von Henkel gegründete Sonderermittlungsgruppe Linx hingegen ist völlig sinnlos.
Wann waren Sie das letzte Mal in der Rigaer Straße?
Wolf: Ich muss da nicht hin. Ich bin in keiner exekutiven Verantwortung, ich bin dort auch wahrscheinlich kein gern gesehener Vermittler. Die meisten Leute von der Rigaer halten uns ohnehin für Verräter in der ganzen Hausbesetzerfrage.
Christopher Lauer, Piratenfraktion
Lauer: Wir sind uns da alle einig. Die Situation ist verfahren und müsste so schnell wie möglich gelöst werden. Das wäre Aufgabe des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller. Man kann nicht auf den nächsten Innensenator warten.
Ist das immer so harmonisch, wenn Sie drei zusammenkommen?
Lauer: Wir zoffen uns eher im Innenausschuss.
Dort spielen Sie sich doch auch immer die Bälle zu.
(Allgemeines Lachen).
Lauer: Gut ja, ich schmiere immer der Grünen-Abgeordneten Canan Bayram aufs Brot, dass sich ihre Partei bei unserem Antrag auf Abschaffung der kriminalitätsbelasteten Orte enthalten hat. Und jetzt zieht sie mit großem Tamtam in Friedrichshain-Kreuzberg in den Wahlkampf und sagt, sie will die sogenannten Gefahrengebiete in Berlin abschaffen.
Wie beurteilen Sie die Situation im Görlitzer Park, seit Henkel dort im April 2015 die Null-Toleranz-Zone eingeführt hat?
Lauer: Das hat kaum was gebracht. Die paar Leute, die festgenommen worden sind, und das bisschen Haschisch, das beschlagnahmt worden ist. Man hat total frustrierte Polizisten, die sich da die Beine plattstehen. An anderen Stellen fehlen sie.
Lux: Für die gesamten Einsatzstunden der Polizei im Görli hätte man auch eine Dauerparkstreife mit acht Leuten für den gesamten Görlitzer Park finanzieren können. Im Unterschied zur CDU würden Grüne, Linke und Piraten viel genauer hinschauen, wie ein gezielter Polizeieinsatz ablaufen kann.
Eine gerade vorgestellte Feldstudie besagt, dass Kinder und Jugendliche den Park wegen des Drogenhandels meiden, auch arabische und türkische Familien gehen dort nicht mehr hin.
Lux: Es gibt ja auch immer noch keinen arabischsprachigen Sozialarbeiter für den Görli. Und in der Hasenheide zeigt sich, dass es auch anders geht: Dort wird ein nicht aggressiver Drogenhandel seit Jahrzehnten geduldet, und der Park ist trotzdem für Familien attraktiv.
Lauer: Es wäre an der Zeit, mal über eine andere Drogenpolitik in Deutschland und Europa zu sprechen. Nicht solche Insellösungen nach dem Motto, wir machen jetzt einen Coffeeshop in Kreuzberg. Sondern: Wie legalisiert man Haschisch? Wie kriegt man im Zweifelsfall auch eine legale Abgabe von härteren Sachen hin? Als jemand, der sich, ADHS-bedingt, täglich legal auf Rezept Amphetamine reinpfeift, lache ich nur über diese unsinnige Verbotspolitik.
Das löst die Probleme vor Ort aktuell aber nicht.
Lauer: Sorry, aber da machen Sie es sich zu einfach: Ich bin seit fünf Jahren Abgeordneter in Berlin. Die Politik davor …
… also die Regierungskoalition aus SPD und Linkspartei …
Lauer: … hat viele Weichen extrem beschissen gestellt. Die Folge: Gerade bei der Drogenpolitik geht es nicht über Verdrängung hinaus. Etwa am Weinbergspark in Mitte: 2011 war Drogenhandel dort ein großes Thema. Eine Bürgerinitiative hat sich dagegen gewandt, der Park wurde hübsch gemacht. Und die Szene ist weitergezogen. Das ist ein Wanderzirkus.
Wolf: Richtig: Gegen Drogenkriminalität hilft nur eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes auf Bundesebene. Man kann zwar auf Landesebene Druckräume schaffen und den Besitz weicher Drogen entkriminalisieren. Aber solange das Gesetz besteht, kann Innenpolitik nicht viel erreichen. So eine Null-Toleranz-Nummer ist da nichts als Aktionismus.
Für die genervten Anwohner ist das ein schwacher Trost.
Lauer: Am Kotti könnte man natürlich was machen, wenn man die Polizisten nicht am Görli bei Sinnlos-Aktionen verbrät. Berlin hat sich jahrzehntelang nicht die Zähne geputzt und wundert sich jetzt über ein komplett verfaultes Gebiss, das zu erneuern eben viel teurer ist, als wenn man sich jeden Tag die Zähne geputzt hätte.
Wie ginge es besser?
Lauer: Das Ordnungsamt könnte die Polizei bei bestimmten Fällen entlasten, etwa bei Verkehrsunfällen. Da sparen sich ja vor allem die Versicherungen den Außendienst, weil die Polizei das alles protokolliert.
Umbau also. Und die Polizei braucht auch mehr Personal? So steht es jedenfalls in den Wahlprogrammen von Linken und Grünen.
Wolf: Ja. Frank Henkel hat ein paar Stellen geschaffen, die er – durch sogenannte pauschale Minderausgaben – an anderer Stelle gleich wieder eingespart hat. So können Polizeibeamte eben nicht auf der Straße Präsenz zeigen, sondern sitzen im Büro oder müssen beim Objektschutz rumstehen. Das zeigt doch, welche Prioritäten in der Innenverwaltung bestehen.
Von der CDU hätte man ja erwarten können, dass sie Wert darauf legt, die Polizei auf Vordermann zu bringen.
Lauer: Hat sie aber nicht. Das wohl größte Missverständnis in der jüngeren deutschen Geschichte ist, dass die CDU irgendeine Ahnung von Innenpolitik hat.
Lux: Stimmt.
Lauer: Die setzen sich hin, tun nichts – und nach einigen Jahren muss dann eine andere Regierung aus SPD und noch jemand die Suppe auslöffeln.
Warum haben Sie Henkel nicht mehr getrieben?
Lauer: Haben wir doch! Gerade Linke und Grüne haben Anträge noch und nöcher in den Haushaltsberatungen gestellt. Die haben die vorhin erwähnten pauschalen Minderausgaben tausendmal vorgerechnet. Dann saß da immer Senator Henkel und las von seinem Sprechzettel ab: „Höhö, Sie haben das nicht verstanden, wir stellen mehr Polizisten ein.“ Das war dann die politische Debatte. Und die Öffentlichkeit ist eben mehr an Krawallgeschichten am Görli, am Kotti und in der Rigaer interessiert.
Jetzt sind die Medien schuld, die lieber eine Sau durchs Dorf treiben?
Lauer: Ja – und nein.
Wolf: Ich finde den Vorwurf, die Opposition mache dieses oder jenes nicht, auch unglaublich nervend. Beispiel NSU-Skandal: Da haben wir Henkel und die Polizei rauf- und runtergetrieben. Wir haben vor dem Verfassungsgericht gegen die unsäglichen Übersichtsaufnahmen bei Großdemonstrationen geklagt: Die Richter teilten unsere Einwände leider nicht. Und, was das Thema Personal im öffentlichen Dienst angeht: Da haben wir Entwicklungskonzepte vorlegt, die hat Rot-Schwarz abgelehnt, und jetzt im Wahlkampf stellt sich die SPD hin und fordert genau das.
Henkel hat es Ihnen aber auch leicht gemacht: Er ist ein vergleichsweise schwacher Innensenator.
Lux: Stimmt. Die CDU und Henkel waren völlig überfordert, die haben gar nicht so viel in Richtung Law-and-Order-Staat gemacht. Aber Pudding kann man nicht an die Wand nageln. Wir haben den Innenausschuss gut bespielt – und wir werden uns diese Zeit bald zurückwünschen: drei linke, bürgerrechtlich orientierte Fraktionen, die auch die Aufgaben des Staats hinterfragen. Das wird nach dem 18. September anders.
In der nächsten Legislatur werden zumindest Linke und Grüne mit der AfD zu tun haben. Was kommt da auf Sie zu?
Wolf: Die AfD ist eine klassische nationalkonservative Rechtsabspaltung des bürgerlichen Lagers, die sich wesentlich aus dem Lager der Nichtwähler speist. Wir haben mit unseren Brandenburger und Thüringer Kollegen gesprochen, wie der Alltag im Parlament mit der AfD aussieht. Die Arbeit wird nicht einfach.
Wie stellen Sie sich das vor?
Wolf: Wir haben ja schon Näherungswerte. Einige Äußerungen aus der CDU, von Burkard Dregger oder Robbin Juhnke, sind mitunter nah dran an der AfD-Programmatik.
Lauer: Stimmt.
Wolf: Einige Ältestenratssitzungen mussten sich mit auf diese Weise ausgelösten Tumulten beschäftigen.
Lauer: Das Abgeordnetenhaus ist das oppositionsfreundlichste Landesparlament in Deutschland. Viele Anträge der Opposition werden in die Ausschüsse weiterverwiesen, die Gesprächszeiten sind fair verteilt. Ich habe Angst, dass wegen der AfD – aus durchaus verständlichen Gründen – an der sehr oppositionsfreundlichen Geschäftsordnung herumgeschraubt wird, dass also Minderheitenrechte eingeschränkt werden und die Oppositionsarbeit schwieriger wird.
Wolf: Das darf auf keinen Fall passieren. Bloß weil Feinde der Demokratie ins Parlament einziehen, darf kein Jota Demokratie abgeschafft werden. Wir brauchen einen Berliner Konsens der demokratischen Parteien auch im Verhalten gegenüber dieser unappetitlichen Organisation.
Lux: Entscheidend wird sein, dass wir unsere Wähler mobilisiert bekommen. Wenn ich höre, was die AfD erzählt, dann leuchtet mir einfach nicht ein, dass die ein so großes Spektrum ansprechen.
Herr Lauer, Sie verabschieden sich aus dem Parlament. Ihre Bilanz nach fünf Jahren?
Lauer: Es ist anstrengend, total nervig, macht aber total viel Spaß. Die Piratenfraktion konnte aus der Opposition einige sinnvolle Dinge in Berlin anzetteln. Ich finde es schade, dass das Thema Politik, obwohl es medial so stark vertreten ist, gesellschaftlich so wenig behandelt wird. Alle Menschen müssen politischer werden – und Landespolitik ist interessanter, als man denkt.
Wolf: Ich werde Herrn Lauer vermissen, im Innenausschuss und im Plenum.
Lux: Nicht nur ihn.
Herr Lauer, wird der Politikbetrieb Sie wiedersehen?
Lauer: Da ereilt einen der Ruf.
Lux: Er ist ja noch jung.
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