Inklusion im Sport: Vorsprung durch Technik?
Eine Studie sollte klären, ob Prothesenspringer Markus Rehm an Olympia teilnehmen darf oder nicht. Das Ergebnis fällt zweideutig aus.
Die Forscher stellten Untersuchungen darüber an, ob unterschenkelamputierte Weitspringer wie Rehm durch ihre Prothese Vor- oder Nachteile gegenüber nichtbehinderten Sportlern haben. Das Ergebnis: Sowohl als auch.
„Wir konnten Nachteile beim Anlauf feststellen, die eindeutig der Prothese zugewiesen werden konnten. Auf der anderen Seite haben wir Vorteile bei der Sprungeffizienz erkannt“, erläutert Wolfgang Potthast.
Zwei Erkenntnisse, die der Professor vom Institut für Biomechanik und Orthopädie der Deutschen Sporthochschule Köln so zusammenführte: „Es gibt völlig unterschiedliche Bewegungstechniken bei behinderten und nichtbehinderten Weitspringern, die sich nach aktuellem Stand nicht eindeutig gegeneinander aufwiegen lassen.“
Deutscher Meister bei den nichtbehinderten Sportlern
Für Markus Rehm ist das Resultat klar genug, um seinen Start bei den Olympischen Spielen in Rio weiterhin für möglich zu halten – gerne auch in getrennten Wertungen. Ins Visier nimmt er dabei vor allem den Internationalen Leichtathletik-Verband (IAAF), der mit einer Regeländerung dafür gesorgt hat, dass die Athleten nachweisen müssen, durch Hilfsmittel wie Carbon-Prothesen keinen Vorteil zu haben. Das sei mit der nun präsentierten Studie der Wissenschaftler erfolgt, sagt Rehm, spricht von einem „schönen Ergebnis“ und betont: „Im Zweifel für den Angeklagten – nach dem Motto könnte ich jetzt versuchen, mich einzuklagen. Aber das ist nicht meine Absicht.“
Bei den Paralympics 2012 gewann Rehm Gold im Weitsprung. Zwei Jahre später wurde er mit 8,24 Metern deutscher Meister – bei den nichtbehinderten Sportlern. Am vergangenen Mittwoch schaffte er in Innsbruck mit 8,18 Metern als erster deutscher Weitspringer die Norm für Rio – und geht nun die IAAF an.
„Ich verstehe ernsthaft nicht, was dagegen spricht, sich an einen Tisch zu setzen“, sagt Rehm. Unterstützt von Friedhelm Julius Beucher, dem Präsidenten des Deutschen Behindertensportverbandes, der betont: „Der Weltverband kann sich nicht in die Büsche schlagen. Wir werden in dieser Sache Klarheiten einfordern.“
Eine Entscheidung wird es frühestens beim IAAF-Council im Juni geben. „Mir geht es nicht um eine Medaille bei den Nichtbehinderten. Ich möchte die paralympischen und die olympischen Spiele zusammenbringen“, erklärt Rehm. „Das wäre ein großes Zeichen – für den ganzen Sport.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“