Initiative gegen Steuerschlupflöcher: Schäuble gegen Apple & Co
Standards zur Unternehmensbesteuerung: Gibt es in der EU nicht. Eine deutsch-britische Initiative will jetzt die Schlupflöcher für multinationale Konzerne schließen.
//BERLIN:http://onlinetaz.hal.taz.de/http://BERLINBERLIN taz | „Ungehörig, gar sittenwidrig“ findet John Mann, wie der größte Suchmaschinenkonzern der Welt in Großbritannien Geld verdient. Der Labour-Abgeordnete wirft Google Steuerflucht vor.
Gerade mal 7 Millionen Euro haben die Kalifornier den britischen Finanzbehörden im vergangenen Jahr für Abgaben abgedrückt. Kein Einzelfall. Recherchen des Guardian ergaben, dass vier der bekanntesten US-Unternehmen – Amazon, Facebook, Google und Starbucks – in den vergangenen vier Jahren nur umgerechnet 37 Millionen Euro Steuern gezahlt haben – bei einem Umsatz von mehr als 3,9 Milliarden Euro.
Apple fachte den Ärger jetzt sogar noch an. Die Stilikone ist auch deshalb so profitabel, weil sie kaum Abgaben auf Auslandsgeschäfte zahlt. Das wertvollste Unternehmen der Welt berappt nach eigenen Angaben für seinen Auslandsgewinn in Höhe von 28,7 Milliarden Euro nur einen Steuersatz in Höhe von 1,9 Prozent, gut eine halbe Milliarde Euro. Wie kann das sein?
Es ist alles in Ordnung. Wir handeln nach Recht und Gesetz. Wer fragt, warum die Multis in Europa so wenig Steuern zahlen, erntet stets Unschuldsmienen. So wird es dem Parlamentarier wohl auch ergehen, wenn er im kommenden Frühjahr bei einer Anhörung im Londoner Finanzausschuss Google-Manager ausquetschen darf. Die Buchhalter der Filialen von multinationalen Konzernen in Europa handeln nämlich wie jeder andere Steuerpflichtige auch: Sie nutzen knallhart die Lücken der europäischen Steuerrechte aus.
Das soll sich nun ändern. Eine deutsch-britische Initiative zielt darauf ab, bis kommenden Frühjahr gemeinsame Standards zur Unternehmensbesteuerung zu erarbeiten. Damit sollen Gewinnverschiebungen von Unternehmen in Niedrigsteuerländer unterbunden werden.
„Double Irish“ und „Double Sandwich“
Die Tricksereien heißen „Double Irish“ oder „Dutch Sandwich“, ausgeklügelte Finanzkonstrukte, mit denen Konzerne ihr Gewinne so lange hin und her schieben, bis nichts mehr zum Versteuern übrig bleibt. Google arbeitet dabei auch mit einer Tochter in der Karibik, Hauptsache, die Steuerlast bleibt gering. Die Europazentrale des Konzerns ist in Irland – hier liegen die Unternehmenssteuern bei 12 Prozent.
In einer Erklärung vom Gipfel der G 20 in Mexiko sprechen Finanzminister Wolfgang Schäuble und sein Kollege George Osborne von der Sorge, dass durch solche Praktiken „die Steuerbasis in Ländern wie Deutschland und Großbritannien mehr und mehr ausgehöhlt“ werde.
Zwar wollen die Kassenwarte ein Unternehmenssteuersystem, das große Konzerne anzieht, „aber beide Ländern wollen auch, dass die Firmen diese Steuern bezahlen“.
Das Problem: Weil in Europa bei Steuerfragen das Einstimmigkeitsprinzip herrscht, ist es fast unmöglich, Oasen auszutrocknen. Eine von fast allen Fraktionen des EU-Parlaments getragene Initiative zur Besteuerung von Lizenzgebühren scheiterte unlängst an den Regierungen der Mitgliedstaaten, so auch an Luxemburg.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Syrien nach Assad
„Feiert mit uns!“