Initiative für Freie Schulen: "Es gibt ein Recht auf gute Schule"

In Berlin kämpft eine Initiative für bessere Schulen. Im Parlament werden sie wie politische Gegner behandelt, sagt Martin Hoyer vom Paritätischen Wohlfahrtsverband.

Freie Naturschule in Pankow: "Die Idee ist, gezielt Anreize zu setzen, dass sich Schule um die Benachteiligten kümmert." Bild: dapd

taz: Herr Hoyer, sie sind Schulreferent des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Berlin. Im Berliner Abgeordnetenhaus hat eine Volksinitiative ihre Ideen vorgetragen. Wie fanden Sie die Veranstaltung?

Martin Hoyer: Ich hatte nicht den Eindruck, dass viele Abgeordnete verstanden haben, in welcher Veranstaltung man eigentlich ist.

Und wo lag das Missverständnis?

MARTIN HOYER 41, ist Kita- und Schulreferent des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Berlin und Sozialpädagoge.

Privatschulen werden in Deutschland strukturell benachteiligt. Die Berliner Initiative Schule in Freiheit will das ändern und hat daher mit einer Volksinitiative und 24.000 Unterschriften einen Antrag an das Berliner Landesparlament gerichtet. Die Anhörung der Ini hat stattgefunden – mit denkbar großer Abwehr der Abgeordneten.

Eine Schülerin, die im Parlament vortrug, sagte dazu, sie habe sich mehr Respekt durch die Parlamentarier erwartet. Nun wird das Abgeordnetenhaus über den Antrag abstimmen (14. April), dass künftig freie Schulen den glei- chen Zuschuss bekommen wie staatliche und staatliche Schule im Gegenzug mehr Freiheiten erhalten. Am 7. April wird der Antrag dazu im Ausschuss beschlossen. www.schule-in-freiheit.de

Es war ja keine normale Sitzung im Ausschuss, in der man seine eigene Position durchbringen möchte. Bürger hatten sich das Recht erstritten, ihre Ideen über besser finanzierte Privatschulen und freiere staatliche Schulen vorzustellen. Diese engagierten Bürger wurden aber behandelt, als wären sie der politische Gegner - und Bittsteller. Es war keine Sternstunde des Parlaments.

Verlangen Sie da nicht zu viel? Man muss ja eine Initiative nicht nur deshalb mögen, weil beinahe 30.000 Menschen dafür ihre Unterschrift geleistet haben.

Man kann anderer Auffassung sein. Aber der Respekt gebietet es, dass man erst einmal aufmerksam zuhört. Da haben Bürger eine sehr grundlegende Auffassung von Bildung, ja beinahe eine philosophische Betrachtungsweise ins Hohe Haus getragen: dass freie Schulen besser finanziert werden müssen - und staatliche mehr Freiheit brauchen. Auf diesen Gedanken haben sich insbesondere die Regierungsfraktionen nicht eingelassen. Sie haben die Ideen von Anfang an mit den harten Bandagen des Abgeordneten abgewehrt. Ein bisschen mehr Mühe hätte man sich erwarten können.

Aber die Furcht, dass gleichberechtigt finanzierte Privatschulen den staatlichen das Wasser abgraben, ist ja nicht unberechtigt.

Ja, das stimmt - im Grundsatz. Aber wenn man genauer hingehört hätte, dann wäre einem aufgefallen, dass es den Initiatoren um das ganze Schulwesen ging und nicht um das private. Es waren ja zwei verknüpfte Vorschläge: Sie wollen beiden Schulformen ihre spezifischen Nachteile abnehmen. Viele private und freie Schulen leiden darunter, dass sie einfach zu wenig staatliche Unterstützung bekommen - und deswegen Schulgebühren erheben müssen.

Margret Rasfeld von der Berliner Evangelischen Schule etwa hat sehr deutlich gemacht, dass eine Schule, die 600 Euro Schulgeld verlangt, eben nicht das Ziel der Initiative ist. Gleichzeitig geht es vielen staatlichen Schulen so, dass sie in ein relativ enges Paket von Vorschriften eingeschnürt sind. Auch diese Schulen hat die Initiative im Auge, wenn sie ihnen mehr Freiheiten gewähren will - ein Anliegen, das übrigens seit Jahren von der Politik geteilt wird. Diesen Aspekt hat im Abgeordnetenhaus meines Erachtens niemand richtig verstanden.

Immerhin teilen FDP und CDU die Ideen …

… ja, und auch die Grünen sind nicht abgeneigt. Aber sie haben dennoch Angst, dass private Schulen in den sozialen Brennpunkten die Segregation noch weiter vorantreiben.

Ist das ein Wunder?

Die Befürchtung hat etwas. Aber man könnte Privatschulen auch mal ganz anders denken. Warum sollte man sie nicht zur gezielten Armutsbekämpfung einsetzen?

Und wie soll das gehen?

Bei beinahe jeder Schulstudie seit Pisa im Jahr 2001 bekommen wir bestätigt, dass wir das selektivste Schulwesen in der OECD haben. Der einzige Punkt, bei dem wir richtig Spitze sind, ist die große Zahl der Risikoschüler und die Abhängigkeit der Bildungserfolge vom Geldbeutel der Eltern. Das ist aber nicht etwa das Ergebnis eines privatisierten Schulsystem, sondern eines weitgehend staatlichen.

Aber das staatliche System unternimmt wenig, um dieses Problems Herr zu werden. Wir haben daher als Paritätischer Wohlfahrtsverband das Modell der Bürgerschule entwickelt - die Elemente privater Initiative und staatlicher so verbindet, dass wieder Schwung in die Schulpolitik kommt.

Was ist daran Armutsbekämpfung?

Dass wir gezielt in die sozial benachteiligten Stadträume gehen wollen und dort jene zivilgesellschaftlichen Initiativen an Schule beteiligen, die sich mit den Problemen vor Ort wirklich auskennen. Wir schlagen vor, mit den Experten vor Ort Neues zu entwickeln, und wir verlangen keinen Cent Schulgebühren. Die Idee ist, gezielt Anreize zu setzen, dass sich Schule um die Benachteiligten kümmert. Der Staat und seine Schulen tun sich schwer damit, die verwalten den Mangel, aber sie greifen ihn nicht an.

Besteht nicht die Gefahr, die SPD und Linke an die Wand malen: dass in Regionen wie etwa Berlin-Kreuzberg nur Bildungsbeflissene ihre Kinder in solche Schulen schicken - und die soziale Spaltung vorantreiben, weil in den staatlichen Schulen die Benachteiligten zurückbleiben?

Diesen Effekt hat man nicht, wenn man Schulgebühren vermeidet. Bisher lassen sowohl das staatliche als auch das private Schulwesen jene Schicht unten am Fahrstuhl stehen, die es laut Pisa am nötigsten hätte endlich mitgenommen zu werden. Die bürgerlichen Kinder fahren mit den Gymnasien oder mit teuren Privatschulen nach oben; die Ghettoschüler aber bleiben in schlechten Schulen zurück.

Wir bieten nun eine dritte Schulform an, eine echte Bürgerschule, wenn Sie so wollen, eine demokratische Schule, die alle mitnimmt. Wir wollen, dass Bildungsgutscheine vergeben werden. Wer mit einem solchen Gutschein bei der Schule ankommt, der hat ein Recht auf gute Schule.

Gibt es denn schon ein solches Modell?

Wir knüpfen an das amerikanische Charter-School-Modell an. Der Staat vergibt eine Charter, eine Genehmigung an einen Träger, und der hat dann viele Freiheiten, etwas Neues auszuprobieren. Wir wollen kleine kiezorientierte Schulen, die offen sind für alle, kein Schulgeld nehmen und im Stadtteil vernetzt sind. Diese Schulen arbeiten mit einem Mix aus den bisherigen Modellen: Der Staat, für den Armut immer sehr teuer ist, gibt seinen Zuschuss dazu - und wir dürfen gleichzeitig privates Geld akquirieren. Wir wollen dahin gehen, wo es brennt.

Wieso haben Sie eigentlich noch keine Schule?

Wir haben mit einer großen Entstaatlichung der Kindertagesstätten in Berlin, bei der wir sehr viele Kitas übernommen haben, gute Erfahrungen gemacht. Die Einrichtungen sind pädagogisch mobiler geworden, und sie sind gleichzeitig in der freien Trägerschaft stärker und selbstständiger geworden. Vielleicht berücksichtigt das Abgeordnentenhaus das, wenn es über die Initiative "Schule in Freiheit" abstimmt.

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