Initiative „Schule im Aufbruch“: Selbst sind die Schüler
Frei und selbstbestimmt sollen Kinder und Jugendliche lernen, fordert die Promi-Initiative „Schule im Aufbruch“. Doch wie das Geschehen soll, bleibt vage.
BERLIN taz | Keine Auswendiglerner mehr, kein Frontalunterricht, keine Beschulung. Frei und selbstbestimmt sollen Kinder und Jugendliche ihr eigenes Potenzial entfalten. Die Bildung von Grund auf revolutionieren – nichts weniger will die Initiative „Schule im Aufbruch“ (SiA). Am Donnerstag stellten die Initiatoren, zu denen der Hirnforscher Gerald Hüther gehört, in Berlin ihre Vision vor.
„Wir sind im 21. Jahrhundert angekommen und unsere Schulen sind im 20. Jahrhundert stehen geblieben“, sagte Hüther. Darum, heißt es in dem offiziellen Aufruf der Initiative, brauche man einen grundlegenden Wandel. Und der müsse von unten kommen: von engagierten Eltern, Bürgern und privaten Unternehmen. Der Staat sei den heutigen Herausforderungen im Bildungsbereich nicht mehr gewachsen. Nun sollen Zivilgesellschaft und Wirtschaft die Bildung lieber gleich selbst in die Hand nehmen.
Zuspruch findet die Initiative bei zahlreichen Wissenschaftlern, Pädagogen und Politikern, darunter die Wissenschaftlerin Gesine Schwan und Exbundestagspräsidentin Rita Süssmuth. Zu den 250 Promis, die den Aufruf unterzeichnet haben, gehören auch Senta Berger, Eckart von Hirschhausen und Roger Willemsen.
Wie der „Paradigmenwechsel“ im Bildungsbereich, den das Bündnis fordert, umgesetzt werden soll, ist jedoch noch weitgehend vage. SiA zufolge könnte das Projekt so funktionieren: Vorerst erklären sich 100 Schulen bundesweit bereit, an der Initiative teilzunehmen und ihre Schule in Zusammenarbeit mit SiA von Grund auf umzukrempeln.
Die Schulen füllen einen ausführlichen Fragebogen aus, um die eigenen Stärken und Schwächen zu ermitteln. Dann beginnt der „Transformationsprozess“: Mit Eltern, Bürgern und lokalen Unternehmern wird ein breites Aktionsbündnis geformt, um die Schulen in „Biotope des Lernens“ zu verwandeln. Dafür will SiA Fort- und Ausbildungsworkshops für Lehrer, Eltern und Schüler anbieten. Ein Coach soll den Schulen bei Bedarf an die Seite gestellt werden, um den Wandel zu begleiten.
Es gibt schon Leuchttürme
Dass zahlreiche Schulprojekte schon längst ähnliche Ideen verfolgen, weiß Stephan Breidenbach, Mitgründer der Humboldt-Viadrina School of Governance und einer der Vertreter der Initiative. „Es gibt in diesem Land schon sehr gute Schulen“, betonte er während der Vorstellung des Projekts. „Aber das sind nur Leuchttürme.“
Als positives Beispiel dient der Initiative die „Evangelische Schule Berlin Zentrum“, deren Direktorin Margret Rasfeld ebenfalls das Projekt vertritt. Klassenverbände seien an ihrer Schule weitestgehend aufgelöst, statt klassischer Lehrinhalte gibt es dort Fächer wie „Herausforderung“: Jedes Jahr müssen die Schüler dafür innerhalb von drei Wochen, mit einem begrenzten Budget und außerhalb Berlins eine selbstgewählte Aufgabe meistern, etwa eine selbst organisierte Paddel- oder Radtour.
Auch das Lehramtsstudium soll von der Reform nicht ausgeklammert werden: „Wir müssen an die Universitäten, an die Lehrerausbildung unmittelbar herangehen.“ Einen neuen Masterstudiengang hat SiA dafür bereits entworfen. Sollten Universitäten ihn ins Studienangebot aufnehmen, stünden am Ende nicht herkömmlich ausgebildete Lehrer, sondern sogenannte Potenzialentfaltungscoachs. Offen bleibt, wer die Workshops und die Schulcoaches bezahlen soll. Man stehe noch am Anfang, so Breidenbach.
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