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Initiative Mediaspree versenken geht aus SonderausschussAktivisten gehen von der Fahne

Initiative Mediaspree versenken kündigt Mitarbeit im Sonderausschuss auf: "Das Ergebnis ist kläglich." Grüne halten die bisherige Arbeit dagegen für erfolgreich.

Nach über einen Jahr Mitarbeit im Sonderausschuss Spreeraum warfen am Mittwochabend die vier Mitglieder der Bürgerinitiative Mediaspree versenken frustriert das Handtuch. "Es war schön, es hat Spaß gemacht, aber das Ergebnis ist kläglich", verkündete im Saal der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Friedrichshain-Kreuzberg Sprecher Carsten Joost. "Büro- und Hotel-Mischmasch mit Pocketparks und Uferwanderweg sind keine bezahlbaren Wohnräume, keine naturräumlichen Erholungsflächen und kein Spreeufer für alle!", schreibt die Initiative in einer anschließend verteilten Erklärung.

Franz Schulz, Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, spricht dagegen viel lieber von den vielen Erfolgen, die seit dem Bürgerbegehren erreicht worden seien. So kündigte er am Mittwochabend an, dass schon "Anfang nächsten Jahres ein provisorischer Uferweg auf Kreuzberger Seite der Spree zwischen der Schillingbrücke und dem Supermarkt in der Köpenicker Straße 10 a eröffnet wird."

Auch seine Partei, die Grünen, feiern in Presseerklärungen seit Wochen die Erfolge bei der Spreeufergestaltung wie die Verhinderung eines Hochhauses an der Elsenbrücke und den Stopp der Brommybrücke als Autobrücke.

Doch genau dadurch fühlt sich die Initiative Mediaspree versenken zusätzlich provoziert. Denn im Sommer des Jahres 2008 erkämpfte sie einen Bürgerentscheid mit drei Hauptforderungen - öffentlicher, 50 Meter breiter Uferstreifen, keine neuen Hochhäuser und keine weiteren Autobrücken über die Spree - gegen die Grünen und nahezu alle politischen Parteien im Kreuzberger Rathaus. Diese befürchteten horrende Schadensersatzforderungen der potenziellen Investoren. Doch mehr als 86 Prozent der Wähler stimmten damals für den Vorschlag der Initiative.

Innerhalb weniger Stunden nahmen danach die Grünen unter dem Motto "Wir haben verstanden" einen radikalen Kurswechsel vor und versuchten seitdem so viel wie möglich der Ziele des Bürgerbegehrens umzusetzen. Dazu diente der eingesetzte "Sonderausschuss Spreeraum", der sich zeitweise alle zwei Wochen an betroffenen Orten wie der Bar 25, der Maria, dem Yaam-Club oder gar im Watergate zusammenfand und meist alle Akteure von den Zwischennutzern bis hin zu den Investoren an einen Tisch brachte.

Durch das Ergebnis des Bürgerentscheids bekam auch Bürgermeister Schulz zusätzlichen Rückenwind, der seit Jahren einen einsamen Kampf gegen die Planungsvorgaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung führte. Bei zu viel Widerstand musste er allerdings mit einem Entzug der bezirklichen Planungshoheit rechnen, was beim geplanten Einkaufscenter an der Cuvrystraße auch passierte.

Verwaltungsrechtlich kam das Bürgerbegehren rund drei Jahre zu spät, denn zum Beispiel "existierten schon 2008 am Osthafen rechtskräftige Bauvorentscheide", wie Schulz am Mittwoch betonte. Dort entstehen zurzeit zwischen der Zentrale von Universal und der Elsenbrücke neben zahlreichen Hotels vor allem große Modehäuser, die den attraktiven Standort ausnutzen wollen. Ein geplanter Uferweg verengt sich stellenweise auf sechs Meter Breite.

Deshalb "fühlen wir uns beim Thema Osthafen über den Tisch gezogen", betonte Joost bei der Aussprache im BVV-Saal. Von der Seite der Mediaspree-Versenker wurden viele moralisierende Vorwürfe wie "Wir fühlen uns hintergangen" und "weiterhin wie politische Gegner behandelt" geäußert. Dagegen führte Schulz auf seine bekannt trockene Art in das geltende Verwaltungsrecht und die Gewaltenteilung im Bezirk ein. So sei ein Bezirksamt keine politische Partei, belehrte er die Aktivisten.

Trotz aller Differenzen bedauere er den Auszug, "da noch viele politische Konflikte in nächster Zeit anstehen". Nachdem auf dem ehemaligen Dämmisol-Gelände ein Park und ein 20 Meter breiter Uferstreifen durchgesetzt werden konnten, "stehen nun die Verhandlungen um das Discounter-Gelände und das Zapf-Grundstück an". Doch auch die Initiative Mediaspree versenken wird sich daran sicher weiter beteiligen, nur eben außerparlamentarisch.

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2 Kommentare

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  • K
    kulturarbeiter

    Schon der Titel "Aktivisten gehen von der Fahne" assoziiert, die Redewendung "zur Fahne gehen" meinte in der DDR den Wehrdienst, eine Kampfbereitschaft der den Interessen und dem Befinden der "Bürgerdeputierten" entgegegen steht.

     

    Den Aktivsten ging es von Anbeginn um konstruktive Vorschläge und Handlungsalternativen die, so das offensichtliche Selbstverständnis, von einer Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in "ihrem" Bezirk geteilt wurde. Dies gilt insbesondere deshalb weil sich die Deputierten auch aus Architekten bzw. Architektur-Studenten zusammensetzt.

     

    Offensichtlich ist aber (und das kommt bei diesem Artikel viel zu kurz), dass die öffentliche Verwaltung und die Politik nicht in der Lage sind mit Bürgerentscheiden, Bürgerwünschen und Bürgerinitiativen konstruktiv umzugehen und dies auch in Ihren Handlungsoptionen zu berücksichtigen.

     

    An dieser Stelle ist ein "wir werden als politische Gegner behandelt" eben auch kein "moralisierendes Argument" sondern eine Tatsache, welche die Tragik unseres aktuellen Demokratieverständnisses versinnbildlicht.

     

    "ms-versenken" mag kein geübter politischer Akteur auf Ebene von Verwaltung, BVV oder Ausschuss sein, Protest organisieren können sie aber allemal.

    An dieser Stelle mag Herr Schulz an die anstehende Wahl 2011 erinnert werden. Der Grünen-Wähler gutiert "partizipive Bürgerbeteiligung". An dieser Stelle ist der Ausstieg von "ms-versenken" aus dem Sonderausschuss allerdings ein Desaster.

     

    Der Sonderausschuss täte gut daran, das Scheitern als Chance zu begreifen und das weitere Gespräch zu suchen. Der Umgang mit partizipivem bürgerlichem Engagement auf der Fachebene muß nicht nur von Seiten der Bürger, sondern auch auf Seiten der Politik und der Verwaltung gelernt werden.

     

    Es gibt in Berlin unzählige Beispiele, wo dies oft genug nur unzureichend funktioniert. So fühlen sich z.B. die Eltern-Schul-Gremien auch oft nicht genügend gewürdigt bzw. anerkannt.

  • VN
    Verena Nadorst

    Da hat sich der Autor als persönlicher Freund von Bürgermeister Schulz ja einige Mühe gegeben, die Initiative ordentlich abzukanzeln. Kein Wort davon, dass im Ausschuss immer nur das herauskam, was die Grünen schon zuvor gefordert hatten: die berühmte Variante "B" im Bürgerentscheid, sich um ein paar Änderungen zu bemühen, solange sie keine Grundeigentümer ärgern. Zu allem Überfluss gingen Schulz und seine Fraktion ständig mit "erfolgreichen" Plänen hausieren, die bereits vor dem Bürgerentscheid "Spreeufer für alle" auf der Tagesordnung gestanden hatten. Und genau diese werden nun hier im Artikel wieder rezitiert, obwohl es der Autor definitiv besser weiß - und macht heiter mit beim frühen Wahlkampf für Papa Schulz.

     

    Ich kann nur auf einen Kommentar beim Abriss-Blog verweisen, der einiges recht trefflich zusammenfasst:

     

    "Bezirksbürgermeister Franz Schulz und seine grüne Fraktion haben, ebenso wie die mitregierende LINKE, die SPD-Fraktion und der Senat, in vielerlei Einzelentscheidungen immer wieder deutlich gemacht, dass sie nicht gewillt sind, das 87%-Votum der Bevölkerung gegen die Mediaspree-Planungen ernstzunehmen; sie haben sich einer konstruktiven Mitarbeit von Anfang an verweigert, nach außen hin aber immer den Schein des Handelns gewahrt. Der Sonderausschuss, in den die Initiative über mehrere “Bürgerdeputierte” eingebunden wurde, sollte die Politik der minimalen Korrekturen legitimieren."

    http://www.abriss-berlin.de/blog/2009/12/02/sonderabschuss/