Infektionsschutz für den Herbst: Maske im Flug verloren
Den ganzen Sommer hat die Koalition um das neue Infektionsschutzgesetz gerungen. Der Kompromiss liegt nun vor.
Vorschriften leben von Nachvollziehbarkeit. Und Gesetzentwürfe in Regierungskoalitionen von Kompromissen. Dass das eine oft durch das andere behindert wird, merkt man auch dem Entwurf für das neue Infektionsschutzgesetz an. Dessen Details wurden am Dienstag bekannt, ab ersten Oktober soll es gelten. Eine der heiß diskutierten, weil nicht unmittelbar nachvollziehbaren Neuregelungen: Anders als ursprünglich geplant soll die Maskenpflicht in Flugzeugen wegfallen, im Bahnverkehr aber fortbestehen.
„Wir werden für den Herbst sehr gut gerüstet sein“, erklärte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vor den letzten Besprechungen des Gesetzentwurfs. Gemeint sei damit nicht nur das Infektionsschutzgesetz, sondern auch die zum Teil bereits verfügbaren, an die Omikronvarianten angepassten Impfstoffe. Außerdem gebe es bessere Medikamente, die vor allem älteren, besonders gefährdeten Patient:innen nützten. Und es seien mehr Daten zur Überwachung des Infektionsgeschehens verfügbar.
Am Donnerstag soll nun aber der Entwurf zur Änderung des Infektionsschutzgesetz den Bundestag passieren. Es sieht mehrere Eskalationsstufen vor: Auf der einen Seite bundeseinheitliche Basisregelungen, die ab 1. Oktober gelten sollen. Auf der anderen Seite einen Katalog an weiteren Maßnahmen, die von den Ländern je nach Infektionsgeschehen vor Ort beschlossen werden können.
Maskenpflicht bleibt zentral
Die Maskenpflicht bleibt dabei das zentrale Instrument zur Eindämmung der Pandemie. Fortbestehen soll sie im öffentlichen Fern- und Nahverkehr sowie in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Aber im Flugverkehr fällt sie weg. Die FDP hatte sich hier auf den letzten Metern durchgesetzt – mit Verweis auf die europäischen Nachbarländer, wo fast überall ohne Maske geflogen wird. Der Vorfall, bei dem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) im August dafür kritisiert wurde, im Regierungsflieger keine Maske getragen zu haben, soll indes keinen Einfluss auf die politische Neuregelung gehabt haben.
Im Gegenzug hat die SPD die FFP-2-Maskenpflicht im Wartezimmer durchgesetzt. Sicherlich sinnvoll angesichts ansteigender Patient:innenzahlen im Herbst und Winter. Allerdings gab es wohl auch hier Widerstand und so gilt die Pflicht nur für die Patient:innen, nicht aber für das Personal.
Die Länder können darüberhinaus je nach Infektionsgeschehen weitere Maßnahmen beschließen: Etwa die Maskenpflicht in Gaststätten oder Personenobergrenzen bei Veranstaltungen. „Ein enormes Portfolio“, so Lauterbach. Von dem man hoffe, dass man es nicht braucht.
Einige zunächst geplante Regelungen im Infektionsschutzgesetz wurden offenbar noch wegdiskutiert: Eine optionale Maskenpflicht in Restaurants sollte ursprünglich nicht für frisch Geimpfte gelten, aber es gab massive Zweifel an der Umsetzbarkeit. Im aktuellen Entwurf ist die Regelung nicht mehr enthalten. Auch gestrichen wurde die Vorgabe, dass Eltern einen Coronaverdacht bei ihren Kindern vom Kinderarzt ausräumen lassen müssten, bevor diese wieder in die Schule dürfen. Hier reicht nun ein Selbsttest zuhause.
Fluggesellschaften frohlocken
Bei der Lufthansa freute man sich indes über das geplante Entfallen der Maskenpflicht in den Fliegern. „Wie froh sind unsere Mitarbeiter, die nicht mehr Maskenpolizei spielen müssen“, frohlockte Konzernchef Carsten Spohr. Beim Bahnbranchen-Lobbyverband Allianz pro Schiene wird dies als unlogisch kritisiert. Wenn die Maskenpflicht in Flugzeugen aufgehoben werde, müsse das auch für alle anderen öffentlichen Verkehrsmittel gelten, so Geschäftsführer Dirk Flege.
„Keine Option“, sagt Karl Lauterbach. Die Situation sei nicht vergleichbar: Flieger seien besser durchlüftet und transportierten viel weniger Passagiere als Züge.
Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) kritisierte, die Ampel mache sich mit ihrem „konfusen Coronakurs“ lächerlich. „Wer soll den Bundesgesundheitsminister noch ernst nehmen, wenn er jetzt schon wieder vor der FDP einknickt?“
Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, Dagmar Schmidt, erwiderte am Dienstag auf derlei Vorwürfe: „Die Frage, wie man das den Menschen erklären soll, begleitet uns durch die gesamte Pandemie.“ Es herrschten auch in der Regierung unterschiedliche Auffassungen über Prioritäten, es müssten Kompromisse gefunden werden. Insofern sei die Regierung nicht weniger als ein „Spiegelbild der Gesellschaft in der Corona-Pandemie“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels