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Indonesien vor der WahlDemokratie in Gefahr

Am 14. Februar wird in Indonesien gewählt. Die plötzliche politische Wende des scheidenden Präsidenten Widodo besorgt Menschenrechtsaktivisten.

Präsidentschaftskandidat Prabowo Subianto in Jakarta, Indonesien, 27.11.2023 Foto: Mast Ihram/epa

Jakarta/Semarang taz | Mit einer überraschenden Rochade hat Indonesiens bald scheidender Präsident „Jokowi“ Joko Widodo seinen langjährigen Herausforderer Prabowo Subianto zum Favoriten der Wahl im Februar gemacht. Denn der umstrittene Ex-General kandidiert jetzt plötzlich zusammen mit Jokowis ältestem Sohn Gibran Rakabuming Raka (36) als seinem Vizekandidaten. Damit erfreut sich Prabowo der öffentlichen Rückendeckung des bisher noch sehr beliebten Präsidenten.

Der für autoritären Regierungsstil stehende Prabowo, der wegen seiner mutmaßlichen Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen in der Suharto-Diktatur ein jahrelanges Einreiseverbot in den USA hatte, überholte seitdem in den Meinungsumfragen den bisherigen Spitzenkandidaten, den Reformer Ganjar Pranowo.

Umfragen gelten zwar in Indonesien als nicht zuverlässig. Trotzdem schrillen seitdem bei vielen Reformkräften, die sich über Jokowis Wende ärgern, die Alarmglocken: „Wir waren nicht darauf vorbereitet, bei dieser Wahl so um unsere junge Demokratie kämpfen zu müssen“, klagt eine Demokratie- und Menschenrechtsaktivistin aus Zentraljava, der Heimatregion Ganjars.

Sie verweist auf einen Brief, der dort kürzlich die Dorfbürgermeister eines Distriktes aufforderte, sich bei der Polizei in der Provinzhauptstadt Semarang zu melden. Denn sie seien einer Einladung in die Hauptstadt Jakarta nicht gefolgt. Dort sollten sie – die eigentlich zur Neutralität verpflichtet sind – auf die Unterstützung des Kandidatenpaars Prabowo-Gibran verpflichtet werden.

Jokowi darf laut Verfassung nicht erneut kandidieren

Bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 14. Februar darf Jokowi nach zwei Amtszeiten laut Verfassung nicht erneut kandidieren. In den Präsidentenpalast einziehen möchte neben Prabowo und Ganjar auch der Ex-Gouverneur von Jakarta, Anies Baswedan. Ihm wird ideologische Nähe zu Islamisten nachgesagt, doch liegt er in Umfragen meist nur auf dem dritten Platz.

Der neue Favorit Prabowo hatte sich schon zweimal um das höchste Amt im mit 270 Millionen Einwohnern viertgrößten Staat der Welt beworben. Beide Male hatte er gegen Jokowi verloren, zögerte aber bei der Anerkennung seiner Niederlagen. Jokowi machte ihn schließlich zum Verteidigungsminister, um ihn einzubinden.

Noch Mitte September lächelten Jokowi und sein bis dahin hochfavorisierter Parteifreund Ganjar einträchtig von ersten Wahlplakaten. Wegen Ganjars erfolgreichem Kampf gegen die Korruption war das von ihm regierte Zentraljava schon zweimal als Indonesiens „integerste“ Provinz ausgezeichnet worden. Anerkannt sind auch sein Einsatz für die Armutsbekämpfung und deutliche Verbesserungen der Infrastruktur.

Bei einem Treffen im September von mehreren hundert Wahlkampfhelfer_innen, die Jokowi 2019 unterstützt hatten und jetzt für Ganjar kämpfen wollten, formulierte der Präsident die Hoffnung, dass sein Parteifreund seine erfolgreiche Arbeit fortsetzen werde. Zugleich betonte Jokowi, wie wichtig Vertrauenskultur in der Politik sei.

Oberster Verfassungsrichter verbandelt

Doch einen Monat später war alles ganz anders: Die zwei lächelnden Herren in weißen Hemden auf den Plakaten waren plötzlich Jokowi und Prabowo. Bis Ende Oktober mussten die Spitzenkandidaten ihre Stellvertreter benennen. Aber erst musste das Verfassungsgericht entscheiden: Darf Jokowis 36-jähriger Sohn Gibran, der noch nicht das gesetzliche Mindestalter von 40 Jahren erreicht hat, überhaupt für das Amt des Vizepräsidenten kandidieren? Das Gericht stimmte zu, mit dem Argument, Politiker mit regionalen Erfahrungen dürften auch jünger sein. Gibran ist seit zwei Jahren Oberbürgermeister der Stadt Solo. Umgehend wurde er als Vize von Prabowo inthronisiert. Das Problem: Der oberste Verfassungsrichter ist Jokowis Schwager.

Selbst amtierende Minister_innen reagierten bestürzt. Es hagelte Kritik. Auch Megawati Soekarnoputri, Tochter des Staatsgründers Sukarno, Ex-Präsidentin und Vorsitzende der PDI-P Partei, der sowohl Jokowi, Gibran als auch Ganjar angehören, mahnte.

Zunächst schienen den Spekulationen keine Grenzen gesetzt angesichts der 180-Grad Wende des Präsidenten: Will Jokowi eine politische Dynastie aufbauen? Schließlich hat der 72-jährige Prabowo schon mehrere Schlaganfälle hinter sich und könnte aus Gesundheitsgründen bald die Macht an seinen jungen Vize übergeben müssen. Will Jokowi, für viele noch das Verständlichste, den dritten Kandidaten Anies und damit die islamischen Fundamentalisten in Schach halten? Oder kommt es ganz anders, und Prabowo würde nach einem Wahlsieg Jokowis Familie abservieren und Indonesiens schwierigen Weg zur Demokratie endgültig stoppen?

Während der Reformer Ganjar darauf pocht, politisch „sauber“ zu sein und seinen Wahlkampf vorwiegend basisorientiert organisiert, stehen hinter Prabowo und Gibran wirtschaftliche Interessen und historisches Vergessen: Die zahlenmäßig starke junge Generation erinnert sich nicht an Prabowos Greueltaten aus der Suharto-Ära. Sie erfreut sich vielmehr an der Jugend des Vizekandidaten und an lustigen TikTok-Videos und Wahlplakaten, die das ungleiche Paar als Karikaturen präsentieren.

Das Beispiel der Dorfvorsteher in Zentraljava oder Bilder vom Militär abgerissener Ganjar-Plakate in Nord-Sumatra legen die Vermutung nahe, dass Polizei und Militär vom Präsidenten den Auftrag haben, sich für seinen Sohn und den Ex-General einzusetzen und entsprechenden Druck auszuüben. Indonesien Demokratie, die schon als drittgrößte der Welt bezeichnet wurde, droht ein Rückschlag.

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1 Kommentar

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  • Das mag ja ganz interessant sein, aber ein paar Worte zur Lage der Mehrheit der Bevölkerung dort und wie sich diese Herrschaften dazu positionieren, hätten, so glaube ich, nicht geschadet.



    Und ich meine damit nicht die Ausländer, die auf Bali abhängen.



    Denn daran, dass nicht schon die Mehrheit der Indonesier ihr Leben auf Suche nach Arbeit im nicht nur umliegenden Ausland verbringt, ist eigentlich nur der Umstand Schuld, dass es mit fast 100 Millionen viel zu viele sind.