Indische Automesse: Umsteiger gesucht
Für die großen Autokonzerne ist Indien der Markt der Zukunft. Wie schwer es jedoch ist, die Mopedfahrer ins Auto zu bekommen, zeigt der Flop des Tata Nano.
Angesichts von Finanzkrise und wirtschaftlicher Stagnation in den USA, Japan und Europa nehmen internationale Autokonzerne verstärkt die Schwellenländer ins Visier. Auf der am Donnerstag eröffneten Delhi Auto Expo, Indiens einziger Automesse, fehlt kein Global Player. Einige Aussteller mussten gar abgewiesen und die Besucherzahlen auf 100.000 am Tag begrenzt werden.
"Indien ist einer der wenigen Märkte weltweit, auf dem auch in den kommenden Jahren hohe Steigerungsraten zu erwarten sind", sagt Messechef Rajive Kaul. Mit 40 neuen Modellen werben die Konzerne um Käufer aus der Mittel- und Oberschicht.
Doch das Autogeschäft in Indien hat sich als schwierig erwiesen. War die Produktion im letzten Finanzjahr (April 2010 bis März 2011) noch um 33,9 Prozent auf 3,7 Millionen Fahrzeuge gewachsen und damit Indien der nach China am zweitschnellsten wachsende Markt, gibt es seitdem einen Einbruch. Hohe Zinsen sowie gestiegene Benzin- und Materialkosten werden als Ursachen genannt. Indiens Autoindustrie rechnet für 2011/12 nur mit 2 bis 4 Prozent Wachstum.
"Die globalen Autohersteller setzen alle darauf, dass Indien wieder auf die Beine kommt", sagt R. C. Bhargava, Chef des Marktführers Maruti Suzuki. Das japanisch-indische Joint Venture dominiert bei den Kleinwagen und präsentiert auf der Expo einen neuen Geländewagen.
Lange Zeit hatten noch 1950er-Jahre-Modelle wie der Hindustan Ambassador Indiens Straßenbild geprägt und Stagnation symbolisiert. Doch seit der Liberalisierung der Wirtschaft 1991 wuchs die Autoindustrie rasant. Sie wurde zum Zeichen für die globalen Ambitionen des Landes wie auch für seine wachsenden Umwelt- und Infrastrukturprobleme.
Die Niederlage des Tata Nano
Noch ist Indien überwiegend ein Markt für Kleinwagen. Doch zuletzt legten vor allem die Verkäufe von Gelände- und Luxuswagen zu. Enttäuscht hat dagegen der Kleinwagen Nano. Das vom indischen Tata-Imperium entwickelte preiswerteste Auto der Welt war bei der Auto Expo vor vier Jahren als indischer Weg der Massenmotorisierung präsentiert worden. Konzernchef Ratan Tata erwartete, dass der Billigwagen für Millionen Familien attraktiv sei, die vom Motorrad aufs Auto umsteigen wollten.
Doch der nach einem Konflikt um enteignete Ländereien erzwungene Umzug der Fabrik vom östlichen Westbengalen ins westliche Gujarat führte zu Produktionsverzögerungen und einer monatelangen Lotterie der ersten Fahrzeuge. Auch stieg der Preis rasch von 100.000 auf 140.000 Rupien (knapp 2.000 Euro).
Als dann noch Sicherheitsmängel publik wurden, war der Nano erst mal entzaubert. Statt Autoerstkäufern hatten ohnehin vielfach wohlhabende Familien zugegriffen, die sich den Nano als Zweit- oder Drittwagen zulegten. Erstkäufer dagegen wollen auch Status erwerben und deshalb nicht unbedingt im billigsten Modell gesehen werden.
Im Dezember wurden in einem der besten regulären Monate landesweit 7.466 Nanos verkauft. Damit war die Fabrik nur ein Drittel ausgelastet. Jetzt präsentiert Tata den Nano auch mit Dieselmotor, weil (subventionierter) Diesel viel preiswerter als Benzin ist.
Das bisher enttäuschende Abschneiden des Nano verhinderte immerhin ein noch größeres Chaos auf Indiens Straßen. Doch in Delhi stellt Bajaj jetzt mit dem RE 60 einen Nano-Konkurrenten vor. Bajaj ist Indiens zweitgrößter Motorradfabrikant und Weltmarktführer bei motorisierten Dreirädern, die in Asien meist als Motorrikschas genutzt werden.
Das vierrädrige Modell RE 60 ist das erste Auto des Konzerns und zielt wie der Nano darauf, dass sich der indische Fahrzeugmarkt, der zu 75 Prozent aus Zweirädern besteht, zum Automarkt wandelt.
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