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Indiens Kampf gegen KorruptionGut gedacht, schlecht gemacht

Als er Geldscheine für ungültig erklärte, wollte Indiens Premier Modi Terrorfinanzierung erschweren. Es trifft aber erst einmal die Armen.

Auf einmal ungültig: indische 1.000-Rupien-Scheine Foto: reuters

Delhi taz | Die wohl drastischste Maßnahme zur Bekämpfung von Korruption in Indien seit dessen Unabhängigkeit 1947 ist ein soziales Experiment mit ungewissen Folgen: Vergangene Woche erklärte Premierminister Narendra Modi in einer überraschenden Fernsehansprache sämtliche 500- und 1.000-Rupien-Scheine (umgerechnet rund 6,80 Euro und 13,60 Euro) für ungültig. Insgesamt 86 Prozent aller im Umlauf befindlichen Banknoten müssen bis zum Jahresende umgetauscht oder eingezahlt werden. Jetzt herrscht Ausnahmezustand.

Modis Absicht ist, Korruption und Terrorfinanzierung zu erschweren. „Die Demonetarisierung wird Teile der Schattenwirtschaft in den formellen Sektor verlagern“, glaubt auch Firat Unlu, Indien-Experte der Economist Intelligence Unit. Vor allem in der Immobilienbranche sei der Anteil an Schwarzgeld besonders hoch, das nun offengelegt werden müsse.

Das Problem ist aber das Tempo. In der Hauptstadt Delhi führen die meisten Automaten entweder kein Bargeld oder sind geschlossen, vor den Bankfilialen stehen bereits vor Öffnung lange Schlangen. Die Regierung rechnet damit, dass die Engpässe bis weit in den Dezember reichen. Laut der Zentralbank von Indien kommt auf 9.500 Inder nur eine Bankfiliale. Vor allem im Nordosten des Landes sind ganze Landstriche von Bankämtern abgeschnitten.

Zeitungen berichten von ersten Todesfällen infolge des Ansturms auf die Banken, und sie betreffen die Ärmsten. Ein Neugeborenes in einem Mumbaier Vorort starb, weil der Arzt die Behandlung verweigerte – die Familie hätte nur in alten 500-Rupien-Noten zahlen können. Eine Frau in Hyderabad erhängte sich, weil sie ihre Ersparnisse fälschlicherweise für wertlos hielt. Im südindischen Kerala brachen zwei Männer in der Warteschlange vor einer Bank zusammen, Hilfe kam zu spät.

Die Oberschicht schlängelt sich mit Kreditkarten durch den Alltag

Die Oberschicht in den urbanen Zentren schlängelt sich hingegen mit ihren Kreditkarten durch den Alltag. In der Hauptstadt Delhi hat sich sogar ein reger Schwarzmarkt entwickelt, auf dem alte Banknoten über Mittelsmänner mit einem Preisaufschlag von 15 Prozent eingetauscht werden können.

Die Regierung hat eine neue 2.000-Rupien-Note eingeführt. Die Geldscheine unterscheiden sich nur im Design von den mittlerweile ungültigen Scheinen. Für neue Sicherheitsmerkmale sei schlicht keine Zeit gewesen, räumte ein Regierungsbeamter im Gespräch mit der Tageszeitung The Hinduein. Im südindischen Karnataka wurde einem Gemüsehändler bereits die erste Blüte untergeschoben – ein fotokopierter Geldschein, ausgeschnitten mit einer Schere.

Die Probleme kommen weniger überraschend als die Umstellung selbst: Als die damalige Regierung 2014 plante, alte Geldscheine einzuziehen, kam die schärfste Kritik ausgerechnet von der damals oppositionellen, jetzt regierenden BJP-Partei. „Das trifft nicht die Leute mit Schweizer Bankkonten, sondern diejenigen, die nicht einmal in Indien ein Konto haben“, sagte damals die Parteisprecherin Meenakshi Lekhi.

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