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In eigener Sachetaz stellt NRW-Teil ein

Die tageszeitung muss ihren Regionalteil in Nordrhein-Westfalen einstellen. "Unser finanzieller Atem hat einfach nicht gereicht", sagt taz-Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch.

Berlin taz Die Regionalausgabe der taz in Nordrhein-Westfalen wird eingestellt. Das hat der Vorstand der taz am Montagabend in Berlin bei einer gemeinsamen Sitzung mit dem Aufsichtsrat beschlossen. Der Regionalteil machte Verluste. Deshalb hatte die taz zuletzt in einer Abo-Kampagne für ihre NRW-Ausgabe mit dem Slogan "Sind wir noch zu retten?" geworben. Ziel waren 1.000 zusätzliche Abonnements bis zum Samstag, den 30. Juni. Dieses war nicht erreicht worden.

Im Vergleich zur Gesamttaz hat der Regionalteil seit seiner Gründung im Jahr 2003 knapp 1.100 zusätzliche Abos erzielt. Für einen einigermaßen tragfähigen Betrieb wären über 3.000 solche Abonnements nötig gewesen. Insgesamt lag die Zahl der taz-Exemplare in NRW laut der Erfassungsfirma IVW bei etwa 11.500 im ersten Quartal 2007, die meisten davon waren jedoch schon vor Gründung des Regionalteils an Bord. Die Gesamtauflage der taz liegt im ersten Vierteljahr bei 55.500 Stück. Darin enthalten sind Abos, Kioskverkäufe und Probeabos zu Sonderpreisen.

In Nordrhein-Westfalen arbeiten 15 Redakteure und viele freie Autoren für die taz. Den angestellten Mitarbeitern wird zum 31. August 2007 gekündigt, Verhandlungen über einen Sozialplan werden umgehend aufgenommen. Die letzte Ausgabe der taz nrw solle an diesem Mittwoch erscheinen, teilte der Vorstand mit.

taz-Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch, Chefredakteurin Bascha Mika und Vorstandsmitglied Stefan Affentranger diskutierten am Dienstag im Düsseldorfer Büro über die Entscheidung des Vorstands. "Publizistisch sehen wir immer noch Bedarf für ein alternatives Medium im größten Bundesland", sagte Ruch, "aber unser finanzieller Atem hat einfach nicht gereicht." Die Finanzmittel für die Entwicklung des Regionalteils NRW kamen aus einer mit der taz verbundenen Kommanditgesellschaft. Insgesamt flossen daraus bisher etwa 2 Millionen Euro in die Ausgabe des bevölkerungsreichsten Bundeslandes. Anfangs bestand der Regionalteil aus zwei vierseitigen Ausgaben in Köln und Bochum, später wurde er dann zu einem Regionalteil mit Sitz in der Landeshauptstadt Düsseldorf zusammengelegt.

Die Redaktion der Zentrale in Berlin war betroffen über das Ende in NRW. Viele hatten die engagierten Kolleginnen und Kollegen von Rhein und Ruhr schätzen gelernt samt ihrer Begeisterung für kritischen Journalismus und ihrem Glauben, dass eine tragfähige Ausgabe in NRW möglich sei.

In den vergangenen Wochen brachte die Rettungskampagne vor allem noch viele 5-Wochen-Probeabos. Vorstand und Aufsichtsrat der taz war allerdings das Risiko zu hoch, dass viele dieser Abos - wie in der Vergangenheit geschehen - wieder gekündigt werden und die Verluste in NRW dann letztlich die taz-Genossenschaft treffen.

Die Redaktion in Düsseldorf meinte zu dem ganzen Dilemma gestern in einer Erklärung: "Die Redaktion möchte sich auf diesem Weg bei allen Leserinnen und Lesern bedanken, die ihr über Jahre die Treue gehalten haben oder die die taz nrw in den vergangenen Wochen durch Solidaritätsabonnements unterstützt haben. Es liegt allein in der Verantwortung der Geschäftsführung, dass diese Leser nun eine taz ohne NRW-Regionalteil bekommen werden - und dass das bevölkerungsreichste Bundesland nun ohne eine unabhängige und kritische Stimme leben muss."

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16 Kommentare

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  • M
    Marcus

    Nun ja, keine nervige Berichte mehr, im wöchentlichen Sportteil über die Lieblingsmannschaft der Redaktion, Fortuna Düsseldorf. Sehr schön!

  • M
    Marcus

    Nun ja, keine nervige Berichte mehr im wöchentlichen Sportteil über die Lieblingsmannschaft der Redaktion, Fortuna Düssldorf. Sehr schön!

  • AN
    Arne Niederbacher

    Nachdem ich mich über die anhaltende Konzeptlosigkeit des NRW-Teils und die Belanglosigkeit wie die ausgesprochen schlechte journalistische Qualität der Berichterstattung immer wieder geärgert habe, kann ich nur sagen, dass ich die Entscheidung zur Einstellung des NRW-Teils konsequent und richtig finde.

  • AS
    Andreas Stevens-Geenen

    Überschrift:

    "taz-Vorstand antwortet auf Kritik"

    Allein diese Überschrift birgt ja scheinbar schon einen spektakulären Sensationbefund.Da muß aber mächtig was passiert sein. Nach der erwarteten Ablieferung der pflichtgemäßen Krokodilstränen "Auch der Vorstand bedauere den Verlust der NRW-taz" zieht sich ebendieser auf auf seifige Rauf- und Runterrechnungen zurück.

    Wenn die Maßgabe 1000 Abos waren und nur weniger als die Hälfte angerechnet wird (817 zu 400) heißt das wohl, dass die NRWler 2.500 hätten beibringen müssen, damit der Berliner Vorstand 1.000 angerechnet hätte.

    Wußte man davon in Düsseldorf?

    In der Vorstandreaktion ist die Rede von "zahlreichen Kommentaren und Mails", die man erhalten hat, diese wären durchaus interessant zu lesen. Die betroffenen Leser erhalten aber nur hier in einer virtuellen Abstellkammer die Möglichkeit ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen. Ich habe erwartet, dass wenigsten in der heutigen Ausgabe etwas von den Reaktionen enthalten ist.Ich möchte es ja nicht direkt Zensur nennen, was da stattfindet, aber auffällig ist diese scheinbar stumme Reaktion schon.

    Zählt Ihr eigentlich auch öffentlich die Kündigungen, die durch diese Fehlentscheidung entstehen.Das wäre mal eine Rchnung die mich interessieren würde.

    Mit rheinischem Groll

    Euer zukünftiger Ex-Abonnent nach 22 Jahren

    Andreas Stevens-Geenen

  • O
    ottovbismarck

    Hätte, wäre, sollte, wenn.

    Das kommt dabei raus, wenn "Linke" versuchen einen Geschäftsplan zu machen.

     

    Die taz bringt's leider immer weniger.

     

    Ich komme übrigens nicht aus NRW.

     

    cheers, Otto

  • ME
    Matthias Eickhoff

    Die Einstellung der taz NRW ist ein Schlag ins Gesicht der Medienvielfalt. Die Zahlentrickserei, die der Vorstand (s. z. B. Bernd Pickerts Artikel) betreiben, ist reine Augenwischerei. 15 Leute nach Ackermann-Manier einfach rauszuschmeißen, ist auch nicht gerade die feine Art.

    Die taz NRW hat Qualität geliefert und unter schwierigsten Umständen in NRW einen hervorragenden Job gemacht (und wie mensch hört sogar für weniger Geld als die Redakteure in Berlin...). Da werden sich bei CDU, FDP und in manchen Konzernetagen (und nicht nur dort) heute morgen einige Damen und Herren ernsthaft die Hände gerieben haben.

    Ich habe nach 20 Jahren heute mein Abo mit größtem Bedauern zum 15. Juli gekündigt. Das ist für mich die letzte Bedenkfrist an die Geschäftsführung, eure krasse Fehlentscheidung zu überdenken.

    Die taz gibt es nur als Gesamtprodukt. Das ist so wie auf der Titanic - auch wenn das "Berliner Oberdeck" versucht, das "Düsseldorfer Unterdeck" zu schließen - am Ende sinkt die Titanic doch.

    Will sagen: Eine wirklich alternative taz hätte es nie so weit kommen lassen und sich als Ganzes für eine Rettungskampagne entschieden. So aber stand die taz NRW von vornherein auf verlorenem Posten, da die Entscheidung ja wohl schon vor vielen Monaten in Berlin gefällt worden ist.

    Das ist perfide und Betrug an uns LeserInnen!

  • SP
    Siegmund Peters

    Den Regionalteil-NRW habe ich meistens übersprungen;

    Er hat nur selten mein Interesse geweckt.

  • KH
    Konrad Hochhausen

    Es ist nicht so schlimm, es ist nur eine verpasste Chance. Die wurde allerdings während des Betriebs der nrw-taz bereits verpasst auf Grund der weitgehenden Belanglosigkeit der Berichterstattung. Dass dies so war ist erkennbar an den Solidaritätsadressen diversester Regionalgrößen. Glaubt wirklich irgendjemand, beispielsweise eine Frau Thoben hätte Interesse an einer kritischen, unabhängigen Berichterstattung? Im Übrigen hätte die durch wohlfeiles name-dropping nur noch penetrante Abo-Kampagne ein positives Ergebnis auch kaum verdient gehabt. Alles sehr schade.

  • SL
    Sven Lüders

    Das ist wirklich eine Schweinerei! Auch, wenn ich die taz nrw nicht immer als unverzichtbar und wertvolle Beilage empfunden habe, es ist grob undemokratisch, die Schließung eines Regionalteils ohne Zustimmung der Genossenschafter vorzunehmen!

     

    Auch wenn die taz nrw nicht immer das war, was ich von einem Regionalteil erwarten würde - sie war immerhin da! Genügend Leute in NRW werden jetzt - wie angekündigt - ihr Abonnement kündigen. Auch, wenn ich nicht dazugehören werde - ich kann das durchaus verstehen. Für viele ist die taz nicht nur "Zweitzeitung" - aber genau das scheint die Strategie zu sein.

     

    Dabei bräuchte man so oft vor Ort (und damit meine ich mehr lokal als regional) eine Berichterstattung. Die taz nrw hat sich zumindest darum bemüht! Ich frage mich allerdings, warum nicht versucht wird, in einigen Städten wenigstens wöchentlich eine Alternative zu bieten!

     

    Aber man muss seine Prioritäten halt kennen. Statt lokal präsent und demokratisch legitimiert gibt es jetzt halt ein schönen neuen Internetauftritt und einen Vorstand und Aufsichtrat, die wie in einem Konzern eine unprofitable Sparte schließen...

  • CR
    Carolin Reißlandt

    Nachdem ich seit 1995 taz-Abonnentin bin, überlege ich nun ernsthaft eine Kündigung des Abos. Auch wenn es keine wirkliche Alternative in der Zeitungslandschaft für die taz.NRW gibt.

    Liebe Leute, immer nur Nachrichten aus Berlin ist zu wenig und zu einseitig, und wer kann sich schon 2 Tageszeitungen leisten? Ich brauche eine Zeitung, die auch über Regionales und Landespolitik berichtet. Außerdem hat mich Eure z.T. hämische Berichterstattung über DIE LINKE. und ihre "Quellparteien" genervt - insbesondere zu Zeiten des Bundestagswahlkampfs war die Grenze guten Geschmacks manchmal überschritten.

    Mit trotzdem riesigen Bedauern, Ärger über die Entscheidung Eurer Geschäftsführung und solidarischen Grüßen an die nrw-Redakteure,

    Carolin Reißlandt, Köln

  • ML
    Mike Litt

    Ich bedauere diese Entscheidung sehr!

    Das sollte noch mal überdacht werden.

    Ansonsten muss ich sagen: Wir alle spüren die Betroffenheit dieser Stunde, die stumm macht.

  • WH
    Willi Hesters

    Das die TAZ NRW eingestellt wird zeugt davon, dass die Leitung in Berlin ganz offensichtlich zu weit weg von den engagierten Menschen und Initiativen ist. Es war doch schon auffällig, wie unterschiedlich die Bundestaz und der NRW Teil ausfiel. Wurde im Regionalteil öfers über spannende Themen und Menschen berichtet die im herkömmlichen Blätterwald nicht vorkommen, ist es bei der Bundestaz zunehmend genau umgekehrt. Wenn man die Überschriften liest, weiß man schon, dass man den Hauptinhalt morgens in der Provinzlokalzeitung nur mit etwas umgestellten Text bereits gelesen hat. Warum hat man in der Hauptredaktion nicht Einsparungen zu Gunsten der Regionalredakteure vorgenommen? So wird die TAZ zunehmend angepasst langweiliger und wird keine neuen Leser finden.

    Willi Hesters

    Wettringen

  • MR
    Marita Ritter

    Gerade die taz zum politischen preis abonniert. Bitte alles noch mal überdenken. Man braucht einen langen atem und NRW braucht die taz.

     

    Marita und Günter Ritter

  • J
    Jutta

    Schliesse mich der Meinung vieler anderer Leser an: die taz NRW war ein Grund, die taz zu abonnieren - die Erpressungsversuche der taz über das letzte Jahr waren lästig. Wieviele Abos verliert Ihr durch diese Aktion? Schade um die taz NRW. Vielleicht lässt sich die Entscheidung ja noch revidieren?!?!!!

  • DA
    drei aus dortmund

    Natürlich ist es schade, dass es keinen Regionalteil mehr aus dem bevölkerungsreichsten Bundesland gibt. Aber: Bei dem Niveau der Berichterstattung und dem oft sehr platten Humor, der manchmal von der taznrw verbreitet wurde, ist die Nachricht von der Einstellung eine Wohltat. Oft haben wir uns nach dem morgendlichen Blick in den NRW-Teil geärgert. Wie auch heute morgen: Sicher, sehr motiviert mag man nicht sein, wenn man weiß, dass die eigene Zeitung und der Arbeitsplatz in Gefahr sind, aber deswegen mit einer Ausgabe ohne einen einzigen Artikel zu den Leserinnen und Leser zu gehen, ist eine Frechheit.

     

    Nötig gewesen wäre vielleicht mal ein Blick nach Bremen oder Hamburg, wo auch noch nach der teilweisen Zusammenlegung Qualität produziert wird. Der Bremen-Teil wurde uns ehemaligen Bremern verwehrt - es gab ja den NRW-Teil.

    Zum Schluss noch ein kleiner Vergleich:

    Der NRW-Teil verhielt sich zum Bremen-Teil wie die WDR-Lokalzeit aus Dortmund zu buten un binnen von Radio Bremen TV.

    Aus Bremen kommt Qualität.

  • MH
    Matthias Hesse

    Liebe taz!

    Tja, ob das mal die richtige Entscheidung war! Als Kölner Abonnent der taz musste ich es erst hinnehmen, dass die Kölner Seite eingestellt wurde, nun auch noch der gesamte NRW-Teil. Gerade die alternative Berichterstattung aus meinem Bundesland und die wertvollen kulturellen Tipps, auf die Ihr immer wieder hingewiesen habt, waren wesentliche Gründe für mich und auch die von mir angeworbenen Abonennten, ein regelmäßiger taz-Leser zu werden und zu bleiben. Fällt dies nun weg, ist aus meiner Sicht eher ein weiterer Abfall der landeseigenen Abokurve zu befürchten - was wollt Ihr überhaupt den über 800 Neu-Abonennten erzählen, die doch wahrscheinlich auch wegen des überzeugenden NRW-Teils zum Kunden geworden sind?? Die Einstellung des Teils hat auch in dieser Hinsicht einen mehr als nur faden Beigeschmack. Ich hätte mir gewünscht, dass Ihr beim Blick auf die erfolgreiche Rettungsaktion (wie viele fehlten letztendlich - um die 190?), eine Verlängerungsfrist von z.B. 6 Wochen vereinbart und den postiven Abotrend noch ein wenig weiter verfolgt hättet. Auch eine strategische Planung bis nach den Sommerferien wäre wünschenswert gewesen: Wer schließt schon vor dem Sommerurlaub noch ein Zeitungsabo ab? Aber et kütt anscheinend wie et kütt! (Mehr als) Schade!

     

    Enttäuschte Grüße aus Köln

    M. Hesse