Gebrauchsanweisung So werden Sie zum Megastar: Fünf Schritte zum Ruhm. Mit Praxisbeispielen: In der Not macht es der Bohlen
von Thomas Winkler
1. Sei witzig!
Der popkulturell weit besser geschulte Brite mag den Deutschen für humorlos halten, aber wenn man sich ansieht, welche deutschen Musiker den langanhaltendsten Erfolg haben, fällt eine Gemeinsamkeit ins Ohr: der Witz. Udo Lindenberg führte nicht nur die Jugendsprache in den deutschen Pop ein, sondern auch einen für die siebziger Jahre typischen Sponti-Humor. Die besten Songs von Die Ärzte sind bis heute vertonte Witze, deren Pointe mit jedem Hören ein bisschen weniger lustig wird. Auch die altbierernsten Toten Hosen waren in ihren Anfangstagen eine solide komische Funpunk-Band. Am allerwitzigsten und erfolgreichsten sind aber natürlich Scooter und ihre von Kirmes-Techno unterlegten Dada-Texte. Bekanntestes Beispiel: „How Much Is the Fish“.
2. Sei ernst!
Im Land der Dichter und Denker kommt der Erfolg Hand in Hand mit einer Ernsthaftigkeit, die dem eher leichtfertigen Pop meist nicht guttut. Das war früher so, als die sogenannten Liedermacher dem Land die eigene Lage erklärten. Und das ist heute so, da die alten, immer noch aktiven Haudegen wie Hannes Wader, Reinhard Mey oder Konstantin Wecker adäquate Nachfolger gefunden haben. Clueso, Andreas Bourani oder Philipp Poisel haben den politischen Aktivismus allerdings mit der Nabelschau vertauscht – und da viel gelernt von einem anderen deutschen Dauerbrenner: Herbert Grönemeyer.
3. Sei schwarz!
Um über die Landesgrenzen hinaus Erfolge feiern zu können, verschleierten deutschsprachige Musikproduzenten gern ihr Deutschsein, indem sie ihre Tracks von schwarzen Sängern und Sängerinnen interpretieren ließen. Als Erfinder dieses in den späten Siebzigern etablierten Erfolgsrezepts dürfen Giorgio Moroder und Frank Farian gelten. Der Südtiroler Moroder schuf mit Donna Summer die „Munich Disco“, die newyorkiger klang als die US-Originale. Farian wiederholte die mit Boney M. gelegte Blaupause noch einmal mit Milli Vanilli – dass Farian sogar selbst gesungen hatte, war 1990 ein Skandal, aber im Sinne der Verschleierung der Herkunft nur konsequent. Später feierten auch Snap! aus Frankfurt internationale Erfolge mit schwarzen Gesichtern, Modern Talking waren immerhin sonnenstudiogebräunt.
4. Sei deutsch!
Das gegenteilige Erfolgsmodell schufen Kraftwerk in den Siebzigern: Sei ein deutsches Klischee! Die Düsseldorfer übersetzten den Mythos von der deutschen Ingenieurskunst in Popmusik. Die Bandmitglieder wurden zu Robotern, die Songs erklangen im Maschinenrhythmus der Lohnarbeit. Auch der Welterfolg von Nenas „99 Luftballons“ lebte von einer netten Melodie, einer naiven Friedensbotschaft und von einem deutschen Klischee, dem des deutschen Frolleins. Ganz und gar kein Fräuleinwunder sind Rammstein, aber dafür kokettieren sie so intensiv mit der Ästhetik von Leni Riefenstahl, dass vor allem US-amerikanische Musikliebhaber wohlig erschauern.
5. ist ganz einfach,
wenn du zufrieden bist mit einem Erfolg, der im heimischen Deutschland bleibt: Lass dich von Dieter Bohlen produzieren!
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