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In den Träumen der Mädchen

■ Die britische Soulsängerin Gabrielle meidet Schwulst und sucht sich ihre stilistischen Freiheiten nach dem Zufallsprinzip

Gabrielle macht es einem wirklich leicht, sie nicht zu mögen. Doch das ist nur zum Teil ihre eigene Schuld. Leichtfertige Leute würden sagen, die Lieder von Gabrielle seien Soul oder trügen zumindest viel davon im Herzen. Auch die Moderatoren unzähliger Radiosender kündigen die Britin wie selbstverständlich als Soul-Chanteuse an, und in der Musikabteilung von Karstadt stehen ihre Alben unter „Disco, House und Funk“unmittelbar vor der Gap Band und Marvin Gaye.

Doch damit schaden diese Leute Gabrielle mehr, als sie ihr nutzen. Denn die Sängerin ist keine Überzeugungstäterin. Die Eindeutigkeit und Verbindlichkeit von Musikgenres und deren Gesetze greifen bei der fragilen Songwriterin nicht ohne weiteres und schon gar nicht zwangsläufig. Ihre Lieder besitzen nicht jene überproduzierte Fettleibigkeit eitler Schmelz- und Seelensongs der Funk-Diven. Zum Prädikat Funk fehlen mindestens acht dominante Basslinien und die aufgeklärte Coolness einer Erykah Badu. Gabrielle meidet den Schwulst und tauscht ihn lieber gegen eine Anordnung aus Kerzenschein, Kuschelpop und Kinderliebe ein. „Baby I've changed“, singt sie und hofft auf bessere Zeiten, denn sie weiß auch: „Our love is over.“Aus ihrer Trauer erwächst nicht das „Love Under New Management“einer Micki Howard.

Auch finden sich kaum Spuren von Zitaten und Querverweisen auf musikalische Traditionen und Einflußgrößen, die das Werk von Gabrielle so klingen lassen, wie es eben klingt: Immer eine Spur zu sehr zwischen den Stühlen, stilistische Freiheit nach dem Zufallsprinzip. Und wenn das zum Konzept von Gabrielle gehört, liegen Vergleiche zum Soul beiden Parteien quer im Magen.

Vor gut fünf Jahren versprühte Gabrielle zum ersten Mal ihre „Dreams“erfolgreich über den Äther direkt in die Hitparaden. Der Song klang wie ein seichter Bastard aus Soul und Pop, die Stimme schnarrend, manchmal sogar quengelnd. Gerade so, als würde Randy Crawford gegen ihren Willen ein Lied für Fury in The Slaughter-house singen müssen. Danach kam eine kleine House-Nummer. Nix Dolles, manchmal gar verstörend schlecht – Gabrielle war überall zu Gast, ein flink erfolgreicher Party-Hopper, aber nirgends zu Hause.

Auf ihrem neuen Album, schlicht nach der Sängerin selbst benannt, baut Gabrielle mit Songs wie Kinder mit Bauklötzen. Irgendwie paßt es schon. Ihr aktueller Chart-Hit „Give me a little more time“versucht sich an dem Sound des frühen Al Green, und „If you really cared“klingt, als hätte Gabrielle des echten Feelings wegen gerne Eric Clapton als Gastgitarristen gehabt und doch nur einen Studiomusiker bekommen. Das Duett mit East 17 zu If You Ever“schließlich wäre vor drei Jahren noch Stoff für Schlagzeilen und Mädchenträume gewesen. Heute ist es dafür einfach zu spät. Oliver Rohlf Mi, 21. Mai, 20 Uhr, Logo

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