Impfung gegegn Schweinegrippe: Föderales Chaos
Die Zahl der Infektionen steigt, aber viele Ärzte impfen nicht. Es wäre viel Aufwand für wenig Geld.
BERLIN taz | Laut Robert-Koch-Institut ist die Schweinegrippe in Deutschland angekommen. "Die Welle hat begonnen", sagte der Präsident des Instituts Jörg Hacker am Montag in Berlin. Die Zahl der wöchentlichen Neuerkrankungen sei Ende Oktober sprunghaft von 1.860 Fällen auf 3.075 Fälle angestiegen. Die Impfungen, die in der vergangenen Woche begonnen haben, seien allerdings dennoch schleppend angelaufen. "Es herrscht eine künstlich erzeugte Verwirrung", sagte Susanne Stöcker, Sprecherin des Paul-Ehrlich-Instituts der taz. Seit Wochen wird die Zuverlässigkeit der H1N1-Impfstoffe diskutiert.
Zu der inhaltlichen Verunsicherung kommt momentan eine organisatorische. In einigen Bundesländern ist die Impfung zentral geregelt, in anderen spritzen die Hausärzte. Und selbst wo Hausärzte offiziell impfen dürfen, tun es de facto nur einige.
"Auch für uns verlief das chaotisch", sagte Cornelia Goesmann, Vizepräsidentin der Bundesärztekammer der taz. Dafür, dass sich viele ihrer Kollegen prinzipiell gegen die Impfung entscheiden, sieht die Allgemeinmedizinerin zwei Gründe. Einerseits seien sie ebenso verunsichert wie die Patienten und würden die ersten Beobachtungen zu Nebenwirkungen abwarten. "Andererseits ist der organisatorische Aufwand hoch", sagte Goesmann. Der Wirkstoff könne nur bei wenigen Apotheken bestellt werden, dann werde er in Zehnerportionen geliefert, so dass Sammeltermine mit jeweils zehn Patienten vereinbart werden müssten. "Wer wirklich durch die Impfung belastet wird, sind die Arzthelferinnen." Denn zusätzlich sei die Abrechnung von Privatpatienten komplizierter als sonst. Und am Ende bekomme der Arzt dann auch noch weniger Geld: In Niedersachsen beispielsweise 5,50 Euro pro Person, im Vergleich zu 6 bis 10 Euro für andere Impfungen. "Deutlich mehr Aufwand für weniger Geld, das spielt bei der Entscheidung einiger Ärzte sicher eine Rolle", sagte Goesmann.
Die Koordination der Impfungen laufe in verschiedenen Bundesländern unterschiedlich gut, hieß es am Montag aus dem Bundesgesundheitsministerium. In den Ländern sei aber bisher kein Interesse daran geäußert worden, die unterschiedlichen Regelungen auf der Internetseite des Bundes zentral zu bündeln.
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