Impfschutz-Streit: Schweinegrippe lähmt Regierungen
Bund und Länder streiten über die Kosten einer Massenimpfung. Keine Seite will für den Fall zahlen, dass mehr als 35 Millionen gesetzlich Versicherte die Impfung wollen.
BERLIN taz | Ohne Ergebnis endeten am Montag die Verhandlungen zwischen Vertretern von Bund und Ländern. Beide Seiten konnten sich nicht darüber einigen, wer von ihnen eventuell anfallende Kosten für Impfungen gegen die Schweinegrippe zahlt. Am heutigen Dienstag wollen die Gesundheitsminister der Länder nun über ihre Strategie bei den Verhandlungen beraten.
Die Ländervertreter gaben sich kompromissbereit. "Wir sind an einer zügigen Bestellung interessiert, damit jeder Bürger in diesem Jahr geimpft werden kann", sagte der Sprecher des Thüringer Gesundheitsministeriums. Thüringen hat derzeit den Vorsitz der Gesundheitsministerkonferenz der Länder.
Viele Landesregierungen sind unzufrieden mit der Verordnung, die das Bundeskabinett vor einer Woche beschlossen hat. Diese besagt, dass für die Impfungen der ersten Hälfte der rund 70 Millionen gesetzlich Versicherten die Krankenkassen aufkommen. Die zweite Hälfte sollen sich Bund und Länder teilen - zu welchen Teilen, das steht nicht darin. Zudem sind die Länder sauer, weil sie nicht gefragt wurden.
Trotzdem gilt es als sehr unwahrscheinlich, dass auf Bund und Länder in diesem Jahr überhaupt Kosten für die Schweinegrippeimpfung zukommen werden. Denn die Länder, die für die Gefahrenabwehr zuständig sind, haben bislang insgesamt 50 Millionen Impfdosen beim Pharmahersteller GlaxoSmithKline bestellt. Weil für den Impfschutz zwei Dosen nötig sind, reicht der Vorrat an Impfstoff für rund 25 Millionen Menschen. Das sind deutlich weniger als die Hälfte der 70 Millionen gesetzlich Versicherten. Kurzum: Es können auf absehbare Zeit gar nicht so viele Menschen geimpft werden, dass Kosten auf Bund und Länder zurollen.
Offiziell rechnet der Bund mit bis zu 60 Millionen Menschen, die sich gegen die Schweinegrippe impfen lassen wollen. Die Impfungen sind freiwillig, werden aber empfohlen für Schwangere, unter Diabetes oder krankhafter Fettleibigkeit Leidende, HIV-Infizierte oder für Menschen mit chronischen Herz-Kreislauf-, Leber- oder Nierenkrankheiten. Als jobbedingt gefährdet gelten Polizisten, Feuerwehrleute, Mitarbeiter in Krankenhäusern und Pflegeheimen oder Arztpraxen. Frühestens Ende September steht der Impfstoff massenhaft bereit.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Gedenken an Hanau-Anschlag
SPD, CDU und FDP schikanieren Terror-Betroffene
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen