Immunisierung für junge Menschen: Stiko für Impfung ab 12
Geimpft werden können 12- bis 17-Jährige schon länger. Viele Eltern waren aber verunsichert, weil das Gremium zunächst von einer Empfehlung absah.
Die Vorgeschichte: Nach den USA und Kanada hatte auch die Europäische Arzneimittelbehörde den Impfstoff von Biontech/Pfizer am 31. Mai für Kinder und Jugendliche ab zwölf zugelassen. In der Zulassungsstudie des Herstellers hatten rund 1.100 Kinder und Jugendliche den Impfstoff erhalten und wurden rund zwei Monate beobachtet. Die Aussagekraft der Studie wurde von Expert*innen wie der Virologin Sandra Ciesek bemängelt.
Auch der Stiko, in Deutschland als unabhängiges Expert*innengremium zuständig für die Impfempfehlungen, war die Datenlage zunächst zu dünn. Anders als die Zulassungsbehörde beurteilt die Stiko vor allem das individuelle Nutzen-Risiko-Verhältnis für die Geimpften sowie die Epidemiologie auf Bevölkerungsebene und die Effekte einer flächendeckenden Impfstrategie.
Die Stiko empfahl die Impfungen am 10. Juni zunächst nur für Kinder und Jugendliche mit besonderen Risikofaktoren. Bei individuellem Wunsch und nach entsprechender Aufklärung sei sie aber auch für alle anderen möglich.
Stiko hat im Sinne der Politik entschieden
Üblicherweise gelten die Empfehlungen der Stiko als medizinischer Standard und sind bindend für die Impfkampagnen der Bundesländer. In diesem Fall wurde das Prozedere jedoch von den Füßen auf den Kopf gestellt: Noch bevor die Stiko überhaupt eine Empfehlung abgegeben hatte, propagierte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bereits Ende Mai eine breit angelegte Impfkampagne inklusive Impfung in Schulen.
Vor allem als sich abzeichnete, dass der Impffortschritt bei den 18- bis 59-Jährigen stockte und die Schulferien sich in einigen Bundesländern dem Ende näherten, verschärfte sich der Druck. Politiker wie Karl Lauterbach meinten, das 18-köpfige Expertengremium aus Virolog*innen und Kinderärzt*innen habe sich „verrannt“.
Die Gesundheitsminister*innen von Bund und Ländern beschlossen schließlich am 2. August ohne den Segen der Stiko, die Impfung für ab 12-Jährige zu empfehlen und bereiten seitdem entsprechende Programme in Schulen vor. Der Deutsche Hausärzteverband kritisierte den Beschluss scharf.
Nun hat die Stiko tatsächlich im Sinne der Politik entschieden. Grund seien insbesondere neue Erkenntnisse zu einer Impfnebenwirkung, die die Stiko zuletzt zweifeln ließ: Gerade Jungen und junge Männer erkrankten in seltenen Fällen nach der Impfung an Herzmuskelentzündungen.
Empfohlener externer Inhalt
Noch Anfang August sagte Stiko-Chef Thomas Mertens der taz, man wolle Daten zu den Krankheitsverläufen abwarten. Die gibt es nun offenbar aus dem amerikanischen Impfprogramm: Die Betroffenen müssten zwar mehrheitlich ins Krankenhaus, erholten sich dort aber rasch wieder.
Bundesgesundheitsminister Spahn bezeichnete die Empfehlung als „gute Nachricht“. „Eltern und Jugendliche haben damit eine klare Empfehlung, sich für die Impfung zu entscheiden“, sagte der CDU-Politiker. „Die Fakten sprechen für die Impfung, ausreichend Impfstoff für alle Altersgruppen ist da.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter