Im Wortlaut: „Ich hab' sogar Angst vor mir selbst“
■ Melanie lebt seit fünfzehn Jahren im Heim und liebt ihre Hunde über alles
Melanie lebt seit fünfzehn Jahren in Hannover im Heim. Sooft es geht, haut die 19jährige ab und besucht ihren Freund in Berlin. Hier treibt sich die blonde Frau mit ihren Hunden am Alexanderplatz herum und schnorrt.
„Seit meinem vierten Lebensjahr lebe ich in Heimen. Meinen richtigen Vater kenne ich nicht. Mein Stiefvater kämpfte jahrelang für ein Sorgerecht für mich, auch nach der Trennung von meiner Mutter. Als ich sechzehn war, ist mein Stiefvater tödlich verunglückt. Das war zwei Tage bevor ich zu ihm ziehen wollte. Ich begann Heroin zu spritzen. Ich hatte gehofft, gleich beim ersten Mal zu sterben. Aber es wurde nichts.
Ich bin jetzt ohne Geld und ohne alles einfach aus dem Heim in Hannover nach Berlin gefahren, weil mein Freund hier lebt. Jetzt will ich in Hannover einen Neuanfang machen. Aber im Moment bin ich total am Ende. Ich will auch den Schulabschluß nachholen. Nach der siebten Klasse bin ich abgegangen. Ich hatte keinen Bock mehr.
Ich hab' mir die Karten legen lassen. Da stand drin, daß ich demnächst mit einem Todesfall rechnen muß, daß ich ein Kind kriege, daß ich noch einen weiten Weg vor mir habe und daß ich nur den Willen haben muß, ruhig zu bleiben. Ich habe echt viel Angst in mir. Sogar vor mir selber. Auf der einen Seite habe ich Mut und beginne zu starten, und es läuft am Anfang richtig gut. Dann kommt wieder eine Zeit, wo ich dasitze und denke: Nein, nein, was ist bloß los mit mir?
Ohne meinen Rottweiler und meinen Schäferhund gehe ich nirgendwohin. Bevor ich was esse, kriegen die Hunde zu fressen. Die Hunde lieben mich, und ich liebe sie über alles.“ Aufgeschrieben von
Barbara Bollwahn
wird fortgesetzt
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