Im Schwimmbad: Antifa im Prinzenbad
Freibäder seien zusehends gefährliche Orte, heißt es. Auch unseren Autor traf's, aber irgendwie war das dann auch nicht so schlecht.
E s war das vierte heiße Wochenende des Jahres und ich wollte ins Prinzenbad. Am Alexanderplatz stieg ich in die U8. Im gleißend hellen Sonnenschein funkelte das sonst große blaue Schild der U-Bahn wegen des Pride Days regenbogenfarben. Menschen trugen Shorts, Röcke und kurze Oberteile. Ältere Damen auf Fahrrädern grinsten mir zu.
Patrick trug wie immer seine orangefarbene Mütze des Motorsägenherstellers Stihl, als ich ihn vor dem Eingang des Schwimmbads traf. Bärtige Männer kontrollierten unsere Ausweise. Über den Umkleidekabinen flimmerte Stacheldraht.
Auf unseren Badetüchern erzählte ich Patrick, dass auch Max Czollek nun eine Mütze von Stihl tragen würde und deshalb nicht mehr ständig die Cap vom City Lights Bookstore in San Francisco aufhätte. Wir diskutierten darüber, dass Hengameh auf Instagram vom Ende der Vermausung der Linken gesprochen habe und dass nun ihre Verrattung beginnen werde. Patrick sagte, dass er vor der Europawahl jemanden überzeugen konnte zu wählen.
Neben uns lagen ein paar sehr weiße, sehr tätowierte Menschen. Ich sah ein Anker-Tattoo, einer von ihnen trug ein „Feine Sahne Fischfilet“-Shirt. Etwas weiter weg lagen Expats mit einer großen Wassermelone, die immer viel lachten. Ein paar Kids spielten Fußball.
Patrick hörte Taylor Swift
Ich nahm mein Buch heraus. Es war „Blick nach links“ von Benedikt Kaiser, zu dem ich gerade recherchierte. Währenddessen hörte Patrick auf seinen EarPods „Anti-Hero“ von Taylor Swift: „It’s me, hi, I’m the problem, it’s me“.
Wie immer wollte Patrick irgendwann schwimmen gehen. Ich kam nicht mit, denn ich fühlte mich sowieso schon schwach und ich wusste, dass Patrick mindestens eine Stunde lang kraulen würde. Und das ist sinnlos, jemandem dabei zuzusehen, wie er ernsthaft Sport treibt.
Als Patrick weg war, kamen die Kids mit jedem Spielzug näher und irgendwann rief einer ganz laut: „Student!“. Alle lachten. Ich nahm meine Hornbrille ab und legte das Buch zur Seite. Natürlich sagte ich nichts, denn das führt ja zu nichts.
Stattdessen ging ich zum Kiosk und kaufte mir eine Packung Haribo Quaxi, die Frösche mit den weißen Schaumzuckerbäuchen. Ich dachte daran, dass Patrick die Quaxis immer Grüpfer nennt und dass ich aber gar nicht weiß, warum eigentlich.
Ich aß auf dem Weg zum Platz fast die ganze Packung zu Ende und wie immer war mir danach schrecklich schlecht. Ich sah schon von Weitem Patrick, dessen große nasse Oberarme im Sonnenlicht funkelten. Zu meinem Entsetzen stellte ich fest, dass das Buch verschwunden war.
Unterm Wasserpilz
Natürlich verdächtigte ich sofort die Kids, von denen aber keines mehr da war. Ich fragte die Expats, aber sie hatten nichts gesehen. Stattdessen schenkten sie mir ein Stück Wassermelone. Auch der Typ mit dem „Feine Sahne Fischfilet“-Shirt hatte nichts gesehen. Währenddessen aß Patrick die letzten Grüpfer zu Ende und sagte in breitem Münchnerisch: „Ens lecker.“
Ich ging mit vollem Bauch ins Nichtschwimmerbecken, wo ich mich unter den Wasserfallpilz setzte. Ich lehnte mich mit dem Rücken an den stählernen Stiel, alles war schrecklich laut und gleichzeitig ruhig, wie das immer ist unter dem Wasserfallpilz.
Langsam rutschte ich immer tiefer und plötzlich war da der Junge, der „Student“ gerufen hatte. Ich schrie ihn an, ob er das Buch gesehen habe, aber er verstand mich nicht. Ich deute ihm an, aus dem Pilz herauszutreten, und fragte ihn noch einmal. Und er sagte: „Klar, Brudi. Das hat der Typ mit dem Anker-Tattoo.“
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