Im Sattel des toten Pferds

Bewährung der Breitwandgitarre: Masters of Reality und New End Original verköpern das Gute, das der Rockmusik geblieben ist. Beide Bands spielen heute abend in Berlin

Den Glaube an die gute alte Breitwandgitarre zu verlieren, das war in letzter Zeit nicht allzu schwer. Spätestens seit Creed mit ihrem unangenehm aufgeplusterten Wichtigtuerpathos die Spitze der Charts verseuchen, wird man quasi genötigt, sich mit leise tröpfelnder Elektronik die Tage zu versüßen. Dieser heutige Abend aber verspricht Linderung: Sowohl die Masters of Reality, die im ColumbiaFritz spielen, als auch die im Razzle Dazzel auftretenden New End Original verkörpern das bißchen Gute, das der Rockmusik noch geblieben ist.

Die Masters of Reality sind das Projekt von Chris Goss, der grauen Eminenz des Wüstenrock. In schöner Regelmäßigkeit erscheinen ihre Platten, die Hard Rock in seiner nahezu pursten Form noch einmal wieder beleben, nämlich als visionäre Fusion von Blues und Country. Legendär aber wurde Goss durch seine Arbeit als Produzent von Kyuss. Indem er deren schwerblütig stampfende Gitarren zu einem unglaublich warm flirrenden Wüstensound mischte, begründete er ein eigenes Genre.

So gaben sich bei den Masters of Reality immer einschlägige Heroen wie Scott Weiland von den Stone Temple Pilots oder Mark Lanegan von den Screaming Trees, einige Platten lang sogar der nun wirklich berühmte Ginger Baker die Klinke in die Hand. Immer wieder dabei waren auch die Reste von Kyuss wie Josh Homme von den Queens of the Stone Age, der auch in der aktuellen Livebesetzung die Gitarre bedient. Mittlerweile aber haben die Lehrlinge den Meister selbst überholt. Ihr aktuelles Album „Deep In The Hole“ wird zwar pflichtschuldigst überall gelobt, klingt aber überraschend schlapp im Vergleich zu den Standards, die wiederum er selbst als Produzent des letzten Albums der Queens of the Stone Age gesetzt hat. Andererseits: Vielleicht sollte man auf Goss als ausgewiesenen Fachmann vertrauen. Dann erwartet uns demnächst ein merklich abgespeckter Rocksound, der dafür schon mal mit Streichern erweitert wird, ohne gleich die ganz üblen Untiefen der 70er auszuloten.

In die Gefahr geraten New End Original erst gar nicht. Sie orientieren sich eher an den poppigen Ausläufern in Punkrocknachfolge. Die Gitarren sind verzerrt, aber sauber gespielt, die Melodien eingängig bis hochtrabend, die dargestellten Gefühle immer überaus ernst genommen. Ironie ist hier nicht gefragt, dafür riecht es nach dem Schweiß des wahren Rockers, während das gesamte Arsenal von der Ballade bis zum Hochgeschwindigkeitsrocker durchexerziert wird.

New End Original gibt es zwar erst seit einem Jahr, aber die Band setzt sich aus den Überresten von halbberühmten Bands wie Far oder Texas is the Reason zusammen. Vielleicht liegt es daran, an der Verbindung des Erfahrungsschatzes der Veteranen mit der Euphorie des Neuanfangs, dass das Quartett aus Kalifornien Rockmusik so unbeschwert spielt wie überhaupt nur möglich, wenn man das Bewußtsein mit sich herum trägt, dass das Genre eigentlich längst tot geritten ist. THOMAS WINKLER

Heute, 20.30 Uhr, im ColumbiaFritz, Columbiadamm 9 -11, in Tempelhof. New End Original um 21 Uhr im Razzle Dazzle, Mühlenstr.12, Friedrichshain