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Im Galopp ins Millionengrab

■ Geplante Trainingsrennbahn in der Mahndorfer Marsch vergrault Trainer: „Hattig subventioniert Arbeitsplatzabbau“/ Grüne fordern Projektstopp

Das geplante Rennpferd-Trainingszentrum in der Mahndorfer Marsch droht nach dem Musical „Hair“ ein weiteres Subventionsgrab der großen Koalition zu werden. Die Grünen forderten den Senat gestern auf, das umstrittene Projekt im Landschaftsschutzgebiet zu stoppen. „Die Trainingsrennbahn de luxe wird für die künftigen Nutzer so teuer, dass sie nur für einen sehr kleinen, exklusiven Kreis von Rennpferdbesitzern- und Trainern attraktiv sein wird“, sagte Helga Trüpel, wirtschaftspolitische Sprecherin der Partei.

Trüpels Kronzeuge im Rennen gegen die Galopprennbahn: Hubertus Fanelsa, der mit zehn Mitarbeitern 65 Pferde auf der seit 1869 betriebenen Rennbahn in der Vahr betreut. „Die Verlegung in die Mahndorfer Marsch ist überflüssig wie ein Kropf“, sagte der Trainer ges-tern auf einer Pressekonferenz. Der Bau sei „eine gigantische Verschleuderung von Steuergeldern.“ Der Grund: Es werde niemand geben, der das neue Trainingszentrum in Mahndorf“ nutzen wolle. Fanelsa: „Nicht nur für mich kommt das aus Kostengründen nicht in Frage. Deshalb erwäge ich ernsthaft, den Standort Bremen zu verlassen“, betonte Fanelsa, der nach eigenen Angaben „in der Bundesliga“ der Pferdetrainer spielt. Die geplanten Gebühren im neuen Galopperparadies in der Mahndorfer Marsch seien viel zu hoch. Fanelsa: „Pro Box kostet mich das 30 Mark mehr im Monat.“ Inklusive Umzug summierten sich die Zusatzkosten leicht „auf einen hohen fünfstelligen Betrag.“ Schon hätte er Angebote von weiteren Rennbahnen in Deutschland.

Damit widerlegte der Trainer das Argument von Wirtschaftssenator Josef Hattig (CDU), die Galopperstrecke bringe neue, kaufkräftige Kundschaft in die Stadt. „Das gibt die Szene nicht her – das Interesse ist gleich null. Hattig subventioniert den Abbau von Arbeitsplätzen“, meinte Falesa. Trüpel geht davon aus, dass die Bremer Investitionsgesellschaft in den vergangenen Jahren rund sieben Millionen Mark für den Ankauf von Flächen für die Trainingsrennbahn ausgegeben hat. Außerdem rechnet sie mit weiteren Kosten für die öffentliche Hand in Höhe von 3,5 Millionen Mark. Fanelsa will von Zuschüssen in Höhe von insgesamt 17 Millionen Mark gehört haben.

Am Mahndorfer See soll ein insgesamt 40 Hektar großer Luxus-Hippodrom mit Wohnungen und Stallungen für 240 Pferde entstehen. Außerdem will die Baufirma Zech ein Vier-Sterne-Hotel errichten. Dafür verspricht Senator Hattig in einer Vorlage vom März 2000 zusätzlich zu den vorhandenen 60 Arbeitsplätzen fünf neue Jobs. Wegen massiver Proteste der Anwohner mussten die Galopper-Planungen bereits modifiziert werden. Da die Kirche sich weigerte, Grundstücke an die Bremer Investitionsgesellschaft zu verkaufen, entwarfen die Planer einfach um die Areale herum. Nicht alle Anwohner dürften Spaß an der Galoppbahn haben. Fanelsa: „Statt der prognos-tizierten 16.000 Autos pro Tag wird doppelt so viel Verkehr erreicht werden.“

Zudem halten sich weiter hartnäckig Gerüchte, nach denen Andreas Jacobs (der von der Kaffee-Dynastie) und der Chef des Bremer Ausschusses für Wirtschaftsforschung (BAW), Frank Haller, sich in Mahndorf mit Staatskosten ein neues Galopper-Idyll errichten lassen wollen. Die zwei Herren sind eng mit dem Bremer Galoppsport liiert. Der eine als Rennstallbesitzer, Haller trieb das Projekt schon in seiner Zeit als Staatsrat voran. Der Grund: Seine pferdeverrückte Gattin Marlene. Sie besitzt Pferde in der Vahr, will auch in Mahndorf Boxen mieten. Haller ist heute „externer Berater“ des Mahndorfer Projekts. Fanelsa, der vor seinem gestrigen Auftritt vor der Presse dazu gedrängt worden war, „bloß den Mund zu halten“, meint nur: „Wenn man sich die Millionen reintun kann, sagt man doch nicht nein, oder?“ Kai Schöneberg

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