Im G20-Medienzentrum: Zu Gast bei hippen Spießern
Der G20-Gastgeber lädt Tausende Journalisten aus aller Welt ins Pressezentrum ein. Hamburg fährt mächtig auf. Wie in einem „Hafen“-Themenpark.
Freitagnacht gegen halb vier scheinen sich die Sicherheitsleute am Gepäckscanner zu freuen, dass noch ein paar Journalisten ihre Rucksäcke aufs Band legen. Gründlich sind sie hier, der Fidget Spinner muss im Zweifel in die blaue Tonne. Weil: Wurfgeschoss. Obwohl er doch den Stress reduzieren soll.
Im ersten Stock des International Media Centre döst ein Mann auf einer Couch, seinen Rollkoffer neben sich, zwei Männer mit Pistole am Gürtel duellieren sich am Tischkicker. Unten in der Messehalle haben sich die Korrespondent*innen ihr Plätzchen an den langen Schreibtischreihen mit weißen DIN-A4-Blättern gesichert, die Washington Post gegenüber von El País. Keiner da. Staubsauger brummen.
Am Freitagmittag filmen im Instagram-kompatiblen Cafébereich – bunte Sessel, Baumstammtisch, Grünpflanzen –, einige mit dem Smartphone, wie die Bundeskanzlerin auf dem Riesenbildschirm die Gipfelgäste in der „maritimen Stadt“ begrüßt. Deshalb sieht hier auch alles so aus, wie in einem „Hafen“-Themenpark. Kojen aus Holz, Knotentafel an der Wand, Teesäcke. Die TV-Sender arbeiten in stilisierten Containern.
Die (kostenlose) Verpflegung wiederum hat sich direkt aus einem Foodblog materialisiert. Couscous, Lachshappen natürlich und Törtchen. Zu trinken Rhabarberschorle („volle Pulle Heimat“), Kräuterlimonade aus dem 1,5-Liter-Einweckglas, Holsten-Bier alkoholfrei; regional und möglichst nachhaltig alles und im Zweifel vegan. Nur Fritz Kola musste draußen bleiben, weil die Firma eine G20-kritische Werbekampagne fährt.
Alles hip hier, aber auch ungewollt spießig. Willkommen in Deutschland.
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