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Im Fass die Niagarafälle hinabRisikosportlerin? Warum denn nicht!

Im Holzfass die Niagarafälle hinab: Annie Edson Taylor gelang dies im Alter von 63 Jahren. Sie sagte anschließend, sie könne das niemandem empfehlen.

Darunter im Fass? Unfassbar! Foto: ap

N ein, Frauen verzehrten sich im Lauf der Jahrhunderte nicht nur danach, auch in traditionellen, seriösen Sportarten aktiv zu werden – manche fanden, dass sie zudem das Recht haben sollten, wie Männer, in unvernünftigen, lebensgefährlichen Sportsparten zu reüssieren und vor allem damit Geld zu verdienen.

Wie Annie Edson Taylor, die als erster Mensch eine Fahrt, oder besser gesagt einen Sturz, in einem Holzfass die Niagarafälle hinab überlebte.

Dabei hatte kaum etwas im Leben der damals 63-Jährigen auf besonderen Wagemut hingedeutet. Am 24. Oktober 1838 in Auburn, New York, geboren, wuchs die kleine Annie mit ihren sieben Geschwistern in finanziell gesicherten Verhältnissen auf. Früh wurde sie Witwe, weil ihr Mann David Taylor im Amerikanischen Bürgerkrieg fiel.

Schon als junge Frau hatte sie große Angst, zu verarmen, und so suchte sie stets nach Möglichkeiten, Geld zu verdienen. In dieser Zeit waren sogenannte Sensationssportler sehr beliebt. 1859 hatte der aus Frankreich stammende Artist Charles Bodin als erster Mensch die Niagarafälle auf einem Hochseil überquert. Viele andere versuchten sich seither vor der imposanten Kulisse ebenfalls mit atemberaubenden Kunststücken.

Annie Edson Taylor war 62 Jahre alt, als sie sich zum großen Fass-Abenteuer entschied – wobei sie sich der Presse gegenüber 20 Jahre jünger machte, was jedoch rasch aufflog. Weil sie ihren Lebensstil nicht einschränken wollte, lag die Idee, in einem Fass die ­Niagarafälle hinunterzurasen und dadurch berühmt und reich zu werden, durchaus nahe.

Zwischen Matratze und Amboss

Das Fass war aus weißer Eiche und extra angefertigt worden, innen wurde es mit einer Matratze gepolstert. In einer Art Generalprobe wurde eine Katze hineingesetzt. Das Tier überlebte. An ihrem 63. Geburtstag stieg Annie selbst in einem schwarzen, langen Kleid mit einem herzförmigen Glücksbringer-Kissen in der Hand und einem mit Blumen verzierten Hut in das Fass.

18 Minuten brauchte das mit einem Amboss beschwerte Fass bis zum Niagarafall. Der Sturz dauerte nur wenige Sekunden. Rettungskräfte fanden die Weltrekordlerin unverletzt vor, bis auf eine Schramme am Kopf. Annie sagte hernach, sie könne das niemandem empfehlen. Lieber würde sie „in die Mündung eine Kanone hineinlaufen, wissend, dass sie jeden Moment losfeuern und mich in Stücke reißen wird, als das noch einmal zu tun“.

Vielleicht lag es daran, dass sie in ihren Schilderungen sich nicht zur strahlenden Heldin stilisierte, oder vielleicht auch daran, dass das Publikum Risikosportler lieber als draufgängerische junge Männer erleben wollte – Annie Edson Taylor hielt zwar einige Vorträge und schrieb ihre Memoiren, aber reich wurde sie nicht.

Die nächsten zwanzig Jahre verbrachte sie damit, für oder mit Touristen an ihrem Souvenirstand an den Niagarafällen mit einem Nachbau des Fasses zu posieren, eine Karriere als Wahrsagerin zu starten und Magnettherapien anzubieten.

Am 29. April 1921 starb Annie im Alter von 82 Jahren. Begraben wurde sie auf dem Oak­wood-Friedhof in Niagara Falls, und zwar in der „Stunter’s Rest“ genannten Sektion, die für diejenigen reserviert ist, die auf, in oder über den Nia­garafällen Wagemutiges versuchten.

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Elke Wittich
Journalistin
Schreibt nicht nur über Sport, sondern auch über Verschwörungsideologien, skandinavische Politik und Königshäuser. *** Die ersten Artikel für den taz-Sport gestalteten sich allerdings etwas schwierig: Mit den Worten "Wie, die schicken uns heute eine Frau?" wurde ich beispielsweise vor Jahren von einem völlig entsetzten Vorsitzenden eines Westberliner Fünftligavereins begrüßt. Da war er also, der große Tag, an dem über seinen Club in der taz berichtet werden würde, und dann das: Eine Frau! Ich antwortete ja, ich sei die Strafe und sofort war die Stimmung super. *** Und eines Tages werde ich über diesen Tag und andere, sagen wir: interessante Begegnungen mal ein Buch schreiben.
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