piwik no script img

Illustrierte Dialoge für KinderMack und der große böse Wolf

"Mick und Mack", "Pünktchen und Anton" und auch "Mumins". In diesen Bilderbüchern erfahren Kinder, dass Eltern auch nur Menschen sind.

Die Comic-Zeichnerin Isabel Kreitz präsentiert eines ihrer Werke. Bild: dpa

Mick und Mack sehen ganz genau gleich aus. Sie tragen rote Strampelanzüge und rote Zipfelmützen. Jeder verfügt über zwei Knopfaugen, eine Stielnase und einen Strichmund. Sie sind sogar gleich groß, doch ihre Rollen sind klar verteilt. Mack ist der Erwachsene. Er weiß, wie man Kekse backt, und auch, dass man nicht gut versteckt ist, wenn über den großen Stein, hinter dem man sitzt, noch meilenweit die Zipfelmütze hinausragt. Mick dagegen weiß solche Dinge nicht. Wenn Mack spielt, dass er der große böse Wolf ist, bekommt Mick solche Angst, dass er schreiend davonrennt, um Mack zu suchen.

Die roten Zwerge sind eine Erfindung der französischen Zeichnerin Nadja. Von derselben Farbe wie Micks und Macks Strampelanzüge sind auch die Büchlein, die ihre Erlebnisse festhalten. Format: gerade mal acht mal acht Zentimetern. Damit sie nicht verlorengehen, sind sie zu sechst in einem Karton untergebracht. Das ist nicht nur praktisch, sondern auch ein zusätzliches Angebot für die kleinsten Nutzer, denn das Medium Buch will schließlich auch haptisch entdeckt werden. Dem natürlichen Ordnungsdrang von Dreijährigen kommt die Aufgabe, die sechs Bändchen wieder in den Karton zu sortieren, sehr entgegen (sogar als erwachsener Mensch kann man noch eine gewisse Befriedigung daraus ziehen), und das umso charmanter, als jedes Büchlein in einem etwas anderen Rot gehalten ist (schön zum Musterlegen).

Bild: taz

Dieser Artikel erscheint am 28./29. November in der sonntaz - ab Sonnabend zusammen mit der taz am Kiosk. Außerdem gibt es Texte unter anderem über den gescheiterten Bio-Fastfood-Pionier Matthias Rischau, über Allwetter-Reifen als Klimakiller, ein neues Buch über die schmutzige Welt des Öls – und eine Kolumne über Amt und Karossen von Politikern.

"Gelesen" werden können sie von Dreijährigen allerdings nicht allein, da es sich weniger um Bildergeschichten als um illustrierte Dialoge handelt. Diese sind sehr pointiert dem Leben und Denken kleiner Kinder abgelauscht. Ihren ganzen Witz entfalten sie aber gerade für die größeren, die, dem Kleinkindkosmos entwachsen, sich nachsichtig über Mick amüsieren können. Am besten lassen sich die Büchlein mit verteilten Rollen lesen, was zeigt, dass sie eigentlich genialische Kleinst-Dramolette sind. Als erwachsene Mitleserin muss man dabei aber meistens Mick sein …

Wie bestechend es sein kann, eine Geschichte nur über Dialoge und Bilder zu erzählen, zeigt auch die Comic-Künstlerin Isabel Kreitz mit der Bearbeitung von Erich Kästners "Pünktchen und Anton". Kreitz bleibt dabei dem legendären Kästner-Illustrator Walter Trier verpflichtet und erschafft dennoch ihre eigene Welt. Detailgetreu ruft sie Triers Vorlage ab, gibt Pünktchen rote Mütze, rote Schuhe, roten Gürtel genau wie damals, damit man nicht anfängt, visuell zu fremdeln; auch der spitznasige Dackel scheint direkt vom Trierschen aufs Kreitzsche Buchcover hinübergesprungen zu sein. Innen im Buch aber sieht man die drei in ein geradezu filmisch lebendiges Dreißigerjahre-Berlin hineingestellt (der Roman wurde 1931 veröffentlicht), das man beim Lesen der Romanvorlage selbst nie so hätte imaginieren können.

Beim ersten Durchlesen mag man sich von den liebevoll gestalteten Einzelheiten gar nicht so ablenken lassen, von den Kochmaschinen, den unaufdringlich detailreichen Interieurs, von den vielen Szenen, die Berliner Straßenzüge zeigen, die es so nicht mehr gibt. Die Geschichte ist nämlich wirklich spannend, und ihre handlungsorientierte Comic-Version eliminiert den in Kästner-Büchern sonst so allgegenwärtigen Erzählerton, der heutigen Lesern die Lektüre mitunter etwas schwer machen kann. Das meiste vom Kästnerschen Sprachwitz geht damit allerdings notwendigerweise auch verloren.

Lust auf mehr machen Tove Janssons Mumin-Comics, die der Reprodukt Verlag erstmals in einer deutschsprachigen Gesamtausgabe herausbringt. Gerade ist Band 2 erschienen und bietet eine Fülle praktischer Alltagsweisheiten und -tipps, nicht zuletzt zur fortschrittlichen Haushaltsführung. Das Schönste an der Muminwelt aber ist, dass alle so eigen sein dürfen, wie sie wollen. Das inspiriert unheimlich dazu, ab sofort nur noch genauso eigen zu sein, wie man eigentlich ist. Vor allem Kindern sollte man diese Comics zu lesen geben. Denn nur hier erfahren sie, dass auch Eltern Menschen sind, die ab und zu ganz gern mal von zu Hause weglaufen würden, um unentdeckt in einer geheimen Höhle zu wohnen.

Nadja: "Mick und Mack". Aus dem Französischen v. Sarah Pasquay. Jacoby & Stuart, Berlin 2009. 14,95 Euro

Erich Kästner: "Pünktchen und Anton". Ein Comic von Isabel Kreitz. Cecilie Dressler Verlag, Hamburg 2009. 100 S., 16,90 Euro

Tove Jansson: "Mumins". Die gesammelten Comic-Strips. Reprodukt Verlag, Berlin 2009. Bd. 1 98 S., Bd. 2 88 S. Je Band 24 Euro

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!