piwik no script img

Illustratorin Kelly BeemannModedesign als Medium der Malerei

In ihrem Bildband zeigt Kelly Beemann Zeichnungen mit einem stetigen Motiv. Sie lotet damit die Beziehung zwischen Kultur und Mode aus.

Vier Frauen vor einem grünen Hintergrund (Zuschnitt) Foto: Kelly Beemann

Das erste Blatt wirkt sehr klassisch: „Woman Seated in Josef Hoffmann Chair“ ist der Titel der 2015 entstandenen Porträtzeichnung einer eleganten Raucherin, deren blaue Plisseebluse auf verzwickte Art und Weise perfekt mit dem Grün des hinter ihr stehenden Gummibaums harmoniert.

Aber schon auf der folgenden Doppelseite merkt man auf. Zu sehen sind zwei junge Frauen, unterwegs in der Suburb, wie die Häuser im Hintergrund andeuten. Der Stil, in dem Kelly Beeman sie aufs Papier bringt, erinnert ein wenig an die Porträtmalerei von Alex Katz, wobei die Künstlerin selbst Christian Schad und Paul Iribe als ihre Referenzen nennt.

Der Titel der zweiten Zeichnung nun lautet weit weniger klassisch „Sisters Running Through Snow in Fendi and Loewe Coats.“ Und diese Art der Titel setzt sich im weiteren Verlauf des herrlichen Bildbandes fort, etwa beim hinreißenden Gruppenporträt von vier Freundinnen beim Essen im Restaurant: „Sisters at the Table in Dries Van Noten, Prada, Vetements, Dior“.

Sind Beemans Aquarellbilder also Modezeichnungen? Wenn ja, dann in einem sehr grundsätzlichen emphatischen Sinn. Denn Kelly Beeman, die 1983 in Oklahoma City geboren wurde, möchte in ihnen einen fundamentalen Aspekt gesellschaftlichen Handelns ausloten, den, wie sie sagt, die Beziehung von Kultur und Mode bilde.

Das Buch

Kelly Beeman: „Window Shopping“. Edition Patrick Frey, Zürich 2018. 72 Seiten, 57 Farbabbildungen, 52 Euro

Insofern wundert es nicht, dass sie studierte Soziologin ist und als solche auch mehrere Jahre in Bolivien und Argentinien gearbeitet hat, bevor sie ihre Zeichnungen und Aquarellbilder über das Netz öffentlich machte. Wo sie übrigens sofort auffiel, etwa dem Modemacher J. W. Anderson.

Zwar hat Beeman schon von Kindesbeinen an gezeichnet, als Künstlerin aber ist sie Autodidaktin. Mode ist für sie grundlegendes Handwerkszeug ihrer Kunst. Denn wenn sie sich überlege, was ihre Protagonist*innen wohl tragen, sagt sie in einem Interview, entstehen vor ihrem Auge auch schon deren Persönlichkeiten, Geschichten, Vorlieben und Meinungen, kurz: deren Lebenswelt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!