Ilkhanipour siegt gegen SPD-Linken: Der Putschist von Eimsbüttel
Hamburgs SPD ist gespalten: Danial Ilkanipour hat den profilierten Parteilinken Annen vom Sokkel gekippt. Doch Ilkhanipour selbst sieht sich als großer Versöhner.
Sonntagmittag klingt seine Stimme noch etwas kratzig. Danial Ilkhanipour hat sich erst mal ausschlafen müssen, sie haben gepichelt im Café May in Eimsbüttel, er und seine Juso-Kollegen. Am Samstag hat er sich eine aussichtsreiche SPD-Kandidatur für den Bundestag geholt, Wahlkreis 021, Hamburg Eimsbüttel, bisher Revier von Niels Annen, profilierter Parteilinker, Außenpolitiker, Mitglied im SPD-Bundesvorstand.
"Ein unbeschreibliches Gefühl", sagt Ilkhanipour ins Telefon, aber er habe an einen Erfolg geglaubt, weil sein wichtigster Punkt einleuchtend sei. "Der wesentliche Punkt ist: Ich will weg vom Flügeldenken. Die Partei muss sich von den Kampfbegriffen rechts und links lösen. Sie darf nicht zwei Parteien in einer sein."
Wie bitte? Selten hat in einem SPD-Kreisverband der Flügelkampf so getobt wie eben in Eimsbüttel. Nur achtzehn Tage vor dem Nominierungstermin hat Ilkhanipour den ahnungslosen Niels Annen mit der Ankündigung überrascht, gegen ihn anzutreten. Danach schimpften die SPD-Funktionäre los: "Verstoß gegen die guten Sitten." "Ungeheuerlich." "Gipfel der Unverfrorenheit."
Der Kreisvorstand kritisierte, der Landesvorsitzende riet ab und aus Berlin rief Münte an. Ein Ex-Vorsitzender der IG Metall Küste trat aus der Partei aus, nach 36 Jahren, samt Frau und Sohn. Am Ende bei der Abstimmung waren Eimsbüttels Sozis sauber gespalten: 45 Stimmen Ilkhanipour, 44 Stimmen Annen, zwei Parteien in einer.
Nach alle dem ist es ein bisschen schwierig, Danial Ilkhanipour zu glauben, dass er nicht einfach kühl geputscht hat, zumal Putschisten fast immer sagen, dass sie versöhnen wollen. Und immerhin war er ein Jahr Mitarbeiter von Johannes Kahrs, dem Sprecher der Parteirechten in der Bundestags-SPD. Er ist Chef der Hamburger Jungsozialisten, schon länger die rechten Außenseiter im SPD-Jugendverband. Alles passt, vielleicht gar die gestreiften Hemden, die den 27-Jährigen Jurastudenten ein wenig aussehen lassen wie ein Früchtchen von der Jungen Union.
Andererseits fordert der Sohn iranischer Einwanderer linke Änderungen an Schröders Agenda-Reformen: Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger abmildern, Regelsatz für Kinder erhöhen, Leiharbeit teurer machen. Und er kann auf ein Papier verweisen, in dem die Hamburger Jusos schon im April verlangten, das Links-rechts-Schema zu überwinden, die Etiketten und den ewigen Basar zwischen den Flügeln.
Wie auch immer - der Kandidat ist jetzt er. "Wenn sich der Rauch verzogen hat", ruft Ilkhanipour, "werden wir alle gemeinsam antreten - gegen die CDU." Bisher ist der Rauch noch ziemlich dick.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei