: “Ignoranz und Untätigkeit“
■ Europaweiter Protesttag gegen Diskriminierung Behinderter
Unter den Klängen der Samba Gruppe „Confusao“ erreichte gestern eine Demonstration gegen die Diskriminierung behinderter Menschen den Marktplatz. Die Landesarbeitsgemeinschaft „Hilfe für Behinderte“ und „Selbstbestimmt Leben e.V.“ organisierten den europaweiten Protesttag in Bremen. „Dampf machen, daß nach der Wahl unsere Forderungen Berücksichtigung finden“, so heizte Horst Frehe den Versammelten ein. Konkret geht es um die Forderung nach einem “Anti-Diskriminierungs-Gesetz“ und einem Gleichstellungsgesetz, das alle nachteiligen Bestimmungen so anpaßt, daß Chancengleichheit hergestellt wird. Einen Katalog mit ihren Anliegen hatten die Betroffenen bereits vor einem Jahr mit ihrem „ 1. Bremer Behindertenparlament“ aufgestellt.
Im Anschluß an die Kundgebung vor dem Haus der Bürgerschaft ging es wie vor einem Jahr in den Plenarsaal, wo PolitikerInnen Rede und Anwort standen, vorneweg Irmgard Gaertner. Die scheidende Sozialsenatorin stellte sich auf die Seite der DiskussionsteilnehmerInnen, räumte aber gleichzeitig Schwächen ein. Forderungen wie nach einer Erweiterung des Berechtigtenkreises für das Landespflegegeld seien unter den Zwängen des Sparens schwer umsetzbar.
Besonders in die Kritik gerieten vor den Versammelten die jüngst vom Parlament verabschiedete Landesbauordnung und der Entwurf für ein ÖPNV-Gesetz. Während in Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise alle neuen Erdgeschoßwohnungen rollstuhlzugänglich zu bauen sind und Bauten mit mehr als drei Stockwerken mit einem Lift ausgerüstet sein müßten, habe Bremen gegenüber den Behinderten „besondere Ignoranz und Uneinsichtigkeit geübt“, so Horst Frehe. Der ehemalige grüne Bürgerschaftsabgeordnete fordert die behindertengerechte Ausstattung von Bussen und Bahnen verbindlich im ÖPNV-Gesetz zu verankern, das am Dienstag vom Landtag beraten wird.
Außerdem fordert das Forum eine tarifliche Entlohnung für in Werkstätten Beschäftigte, einen Ausbau des Angebots persönlicher Assistenz im Pflegedienst und die Gleichbehandlung auf dem Arbeitsmarkt. Darüberhinaus wünschen sich die VertreterInnen der Behinderten, eine Landesbeauftragte. Hier schieden sich die Geister bei den anwesenden VertreterInnen aus den Parlamentsriegen. Elke Steinhöfel (SPD) und Axel Adamietz (FDP) formulierten ihre Bedenken gegen eine weitere Dienststelle. Karoline Linnert (Bündnis 90/Grüne) und Wolfgang Erfurth (CDU) dagegen sahen die Notwendigkeit für eine solche Vertretung der Behinderten ein und sagten Unterstützung zu. mö
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