■ Nach der Pleite von Monte Carlo: Ideen-Olympiade nötig
Hinterher ist man immer schlauer. Das gilt bei der Olympiabewerbung wohl auch für Eberhard Diepgen. In diesem Fall hätte man aber vorher mehr wissen können. Wenn der CDU-Chef nun „Pannen“ und Organisationsfehler eingesteht, holt er lediglich das nach, was die Olympia GmbH in den letzten drei Jahren immer wieder in die negativen Schlagzeilen brachte. Warum der Aufsichtsratsvorsitzende der Olympia GmbH, der Diepgen heißt, darauf nicht früher reagierte, beantwortete der Regierende Bürgermeister Diepgen allerdings nicht. Sein Resümee läßt noch die brüchige Propaganda von der übergroßen Mehrheit für Olympia in Berlin nachhallen, um gleichzeitig anzuerkennen, daß Einheitsprobleme und Rassenhaß die Bewerbung „verdunkelt“ hätten. Bewährt schlechter Stil ist, ausgerechnet das Bündnis 90/Grüne für die Fremdenfeindlichkeit verantwortlich zu machen.
Weil aus Mangel an eigenen Visionen auf die geborgte Idee Olympia gesetzt wurde, die die Stadt zerrissen hat wie vorher nur die Mauer, hat Berlin viel Zeit verloren auf dem Weg zu neuen Identitäten. Nötig ist, konsensfähige und die Menschen inspirierende und verbindende Vorstellungen zu entwickeln, wie es in der Stadt aussehen soll: Ein solchermaßen verstandenes Projekt „Berlin 2000“ anzuschieben, wäre eine wahrhaft olympische Leistung gewesen. Noch ist es nicht zu spät. Voraussetzung ist freilich, nicht allein auf Bonn zu hoffen – auch wenn der Regierungsumzug unverzichtbar bleibt –, sondern auf die eigene Kraft vertrauend, die Stadt zu einer ökologischen Metropole zu machen. Dazu braucht es einen großen Ratschlag, einen neuen gesellschaftlichen Konsens. Diepgen anerkennt, daß Berlin „genug eigene Substanz“ hat. Aber die Große Koalition, so muß man freilich befürchten, hat offenbar nicht die politische und gestalterische Kraft für einen solchen selbstbewußten Aufbruch in die Zukunft. Gerd Nowakowski
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