Idee für Fahrrad-Trasse in Berlin: Radeln im Bahnhof
Der Bahnhof Südkreuz ist ein Ärgernis für viele RadfahrerInnen – er steht im Weg. Verkehrsplaner schlagen nun vor, den Radweg hindurchzuführen.
Wenn man einen Bahnhof als Knotenpunkt bezeichnet, ist das üblicherweise nicht negativ konnotiert. Gemeint ist einfach ein Ort, an dem sich mehrere Verkehrswege begegnen und/oder kreuzen. Im Fall des Bahnhofs Südkreuz gilt es seit Jahren einen planerischen Knoten zu zerschlagen – was bis dato aber noch niemand geschafft hat: RadfahrerInnen, die die zunehmend beliebte Nord-Süd-Verbindung zwischen Gleisdreieck und Priesterweg nutzen, müssen bislang einen absurden Schlenker um das Gebäude machen. Manche steigen lieber gleich ab und schieben – oder fahren gar – durch die Bahnhofshalle.
Als der Fahrradaktivist und Ingenieur Evan Vosberg (ADFC, Volksentscheid Fahrrad) vor einiger Zeit im Südkreuz auf seinen ICE wartete, platzte der Knoten – zumindest in seinem Kopf. Er funkte den Mobilitätsforscher Tim Lehmann an, der bereits die Idee eines Radschnellwegs auf der alten Stammbahntrasse Berlin–Potsdam entwickelt hatte. Die beiden vermaßen den Bahnhof mit einem Lasermessgerät und fingen an zu rechnen. Am Mittwoch haben sie das Projekt „Radbahnhof“ vorgelegt – und hoffen nun auf positive Reaktionen von Senat und Bahn AG.
Vosbergs Geistesblitz: Man müsste den Radweg, der im Norden und im Süden des Gebäudes am westlichen Rand der S2-Trasse verläuft, einfach mitten durch den Bahnhof führen – auf einem filigranen Bauwerk, das über dem S-Bahn-Gleis hängt (aber unter der Ringbahn). Oberleitungen gibt es hier keine, und das Regelwerk für den S-Bahnbetrieb sieht den beiden Tüftlern zufolge vor, dass über den Schienen 3,80 m lichte Höhe vorhanden sein müssen. Im Südkreuz wäre gerade ausreichend Platz, um diese Vorgabe einzuhalten und den RadlerInnen selbst am niedrigsten Punkt noch 2,50 m bis zur Betondecke zu gönnen.
„Dass irgendwelche bahntechnischen Detailvorschriften bemüht werden, um eine solche Lösung zu verhindern, können wir nicht ausschließen“, so Vosberg zur taz. Er mache sich auch „keine Hoffnung, dass jetzt innerhalb eines Jahres etwas passiert“, aber der Aufschlag sei getan. Ein weiteres Plus der Mittendurch-Lösung: Ungenutzte Parkdecks auf dem Südkreuz-Gebäude ließen sich gut zu einem Fahrradparkhaus umbauen. Ein solches fordert die rot-rot-grüne Koalitionsvereinbarung ohnehin an diesem Ort.
Das Herz des Ingenieurs
Oliver Schwedes, TU-Professor für Verkehrsplanung, spricht mit Blick auf den „Radbahnhof“ von einer „spektakulären verkehrstechnischen Herausforderung, die das Herz des Ingenieurs höher schlagen lässt“. Evan Vosberg vergleicht den Radweg im Bahnhof mit der ikonischen „Fahrrad-Schlange“ von Kopenhagen: „Es wäre eine Lösung mit Strahlkraft.“
Den potenziellen NutzerInnen des hängenden Radwegs wäre zu wünschen, dass der Entwurf nicht solche strukturellen Schwächen aufweist wie die “Radbahn“, die Idee, den U1-Viadukt durch Kreuzberg zum überdachten Rad-Highway zu machen. Bei genauerer Betrachtung stellte sich heraus, dass schon der begrenzte Raum zwischen den Hochbahnstützen einen modernen Radweg mit ausreichender Breite auch für Überholvorgänge unmöglich macht.
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