■ Kommentare Das Fernsehen von unten gehört der Vergangenheit an: Idealismus ade
Als 1980 in Spanien die ersten lokalen Fernsehstationen ihren Betrieb aufnahmen, ging die Initiative vor allem von gesellschaftlichen Gruppen aus, die den großen Monopolsendern etwas entgegensetzen wollten. Es gingen ihnen darum, ihre eigenen politischen und kulturellen Vorstellungen zu verbreiten. Information von unten für unten. Von diesem Idealismus der Anfangsjahre ist heute nur wenig übriggeblieben. Die 550 spanischen Lokalfernsehen sind längst zum Geschäft geworden.
In den letzten Jahren wurden 120 Millionen Mark investiert, 9.000 Menschen finden in den verschiedenen Sendern Arbeit. Die Betreibergruppen sind längst nicht mehr so homogen wie in den Anfangsjahren. Die lokalen Stationen, die ausschließlich und ohne jegliches finanzielles Interesse Information verbreiten, sind heute in der Minderheit. Das liegt nicht zuletzt daran, daß die meisten Gemeindeverwaltungen kein Interesse an „ihrem“ lokalen Sender haben und ihn somit auch nicht subventionieren. Nur in großen Städten können die verschiedenen Vereine und Nachbarschaftsverbände die nötigen Spenden aufbringen, um unabhängige Sender am Leben zu erhalten. Diese informieren auch weiterhin über das soziale und politische Geschehen ihrer Region. Allerdings sind selbst die Großen unter den selbstverwalteten Sendern meist nicht in der Lage, den nötigen Mitarbeiterstab und die moderne Technik zu finanzieren, die qualitativ hochwertiges Fernsehen erst möglich macht.
Dies begünstigt die Entwicklung hin zu Sendern, die von Werbeeinnahmen leben. Dieser Typ von Lokalfernsehen stellt heute in Spanien mit 67 Prozent die Mehrheit und ist vor allem in den Urlaubsorten und Ballungsräumen ein Geschäft. Nischenprogramme, die den Urlauber auf englisch oder deutsch über das Geschehen und das Freizeitangebot vor Ort informieren, bieten eine gute Basis für Werbeeinblendungen. Der Rest der Sendezeit wird mit billigem Kino, Musikclips oder Verkaufssendungen aufgefüllt. Längst ist das Telemarketing nach US-Vorbild das eigentliche Geschäft vieler Sender.
Dies ruft die großen Anbieter auf den Plan. So versuchen mittlerweile 15 große Konsortien, teilweise unter Beteiligung europäischen und nordamerikanischen Kapitals, sich den spanischen Markt aufzuteilen. Dadurch wird sich zwar künftig das Phänomen Lokalfernsehen konsolidieren, weil mehr investiert wird. Aber der Unterschied zu den großen überregionalen Privatkanälen wird immer geringer. José Alberto Garcia Avilés
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