: „Ich will weg vom Leopoldplatz“
RAUMNOT Der Leopoldplatz im Wedding ist schon lange Treffpunkt für Trinker und Drogenabhängige. Seit einiger Zeit hat sich die Lage für sie dort verschlechtert, erzählt Tony. Trotzdem ist er täglich auf dem Platz
Protokoll Antje Lang-Lendorff
„Die Situation auf dem Leo hat sich verändert. Es ist abgeranzter geworden, schlechter, seit wir am Leopold-Center vor Burger King stehen. Die Leute beschweren sich, andauernd kommt die Polizei. Im Affenkäfig (dem von ihnen selbst so genannten Aufenthaltsbereich der Trinker, Anm. d. Red.) hatten wir mehr unsere Ruhe. Da konnte uns keiner wegschicken. Aber dann sind alle da rüber gezogen, das ganze Rudel.
Warum alle da weg sind, kann ich auch nicht wirklich sagen. Einige haben von Tschetschenen erzählt, die angeblich Schutzgeld abgezogen haben. Und dann haben da auch Obdachlose hingepinkelt und hingeschissen. Das sah aus wie Sau, wir waren ständig mit denen im Streit. Dann kamen die Dealer, die Gewalt.
Dass uns die Politiker den Platz direkt gegenüber vom Kinderspielplatz gegeben haben, war auch total daneben. Du ziehst am Joint und gegenüber spielen Kinder. Da fragt man sich schon, ob das richtig ist. Aber solche Gedanken musst du ruckzuck verwerfen, du bist ja drauf.
Ich wohne in einer betreuten WG, aber ich komme jeden Tag an den Leo, weil ich hier in einer Praxis mein Methadon (Heroinersatz) kriege. Eine Zeitlang hab ich auch Hasch konsumiert. Methadon und Hasch, das ist die beste Kombination, da bin ich aufnahmefähig, da kann ich mit alt werden.
Aufgewachsen bin ich in Frankfurt am Main. Ich bin ein Heimkind, mit 18 Jahren kam ich in den Knast, wegen Raubüberfällen, Einbrüchen und sowas. Dort hab ich Zimmermann gelernt und Schweißer. Als ich raus kam, bin ich erst mal konsumieren gegangen. Später war ich clean, fünf Jahre lang, hab eine Familie gegründet, zwei Töchter bekommen. Nach dem Rückfall haben wir uns getrennt. Dann wieder Kriminalität, Knast.
Irgendwann hab ich den Absprung geschafft in die Substitution. Seit 2009 bin ich in Berlin und am Leo. Der Platz ist ein Treffpunkt, man kennt sich. Ob die Leute hier meine Freunde sind? Nee. Unter Drogenabhängigen gibt es kein Vertrauen. Ich trau mir ja nicht mal selber. Jeder zieht den anderen ab. Jeder will von dem anderen irgendwas. Nur darum geht es: um das Dealen von Klamotten, von geklauten Sachen. Der Leo ist ein Umschlagplatz.
Ich warte im Moment auf eine Kostenzusage für eine Langzeittherapie. Als Kind im Heim hatte ich schlechte Erlebnisse. Davor renne ich mein ganzes Leben lang weg. Das muss ich mal bearbeiten, um zur Ruhe zu kommen. Ich bin jetzt 48 und Opa geworden. Ich bin seit 33 Jahren abhängig. Es wird Zeit für mich, dass ich etwas ändere.
Dann will ich auch weg vom Leo, weg aus Berlin. Die Gefahren hier sind zu groß für mich.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen