piwik no script img

„Ich stelle gerne meine Köpermasse zur Verfügung ...“

Vom rechten Gebrauch der Sprache: ein offener Brief der Dokumentarfilmerin Nina Gladitz an Leni Riefenstahl, die neuerdings Mordgelüste hegt

In verschiedenen Presseorganen, sogar im Ausland, war zu lesen, dass Frau Riefenstahl mit 98 Jahren Mordgelüste hegt gegen diejenigen, die von ihr behauptet haben, sie hätte in einem KZ Dreharbeiten veranstaltet. Ich fühle mich indirekt angesprochen, auch wenn ich weder je behauptet noch je davon gehört habe, dass sie in einem KZ einen Film gedreht hat. Vielleicht weiß nur sie etwas davon, und dieses dunkle Geheimnis ist ihr dummerweise auf der Frankfurter Buchmesse versehentlich aus dem Mund geflutscht. Wer Frau Riefenstahl ein bisschen kennt, weiß, dass sie immer schon Schwierigkeiten im Umgang mit der deutschen Sprache beziehungsweise mit Begriffsdefinitionen hatte. In fast allen Fernseh- und Presseinterviews kommt zum Vorschein, dass sie nicht recht den Unterschied kennt zwischen Naturalismus und Realismus. Und sie bringt seit Kriegsende den Unterschied zwischen Opfersein und Jemanden-zum-Opfer-Machen durcheinander.

Ausserdem scheint sie zu glauben, dass eine braune Gesinnung eine durch Geschlechtsverkehr übertragbare Infektionskrankheit ist. Wie käme sie sonst dazu, immer wieder zu beteuern, sie sei nicht die Geliebte von Herrn Hitler gewesen und deswegen auch keine Nazisse.

Sie kennt auch nicht die Unterscheidung zwischen einem NSDAP-Mitglied, der gläubiger Nazi war, und jemandem, der kein Parteimitglied war, aber trotzdem für und im Interesse dieser Partei tätig war. Sie verwechselt die gerichtsnotorisch anerkannte Tatsache, im KZ Maxglan bei Salzburg gewesen zu sein, um sich Statisten für die Dreharbeiten zum Film „Tiefland“ auszusuchen, mit Dreharbeiten in einem KZ, was schließlich nicht dasselbe ist. Aber, bitte schön, vielleicht gibt es da noch was in ihrer braunen Karriere, was wir bisher noch nicht wussten. Der geschmackvolle Titel ihres neuesten Buches „Fünf Leben“ lässt noch Fürchterliches erwarten, wenn sie erst mal das Zeitliche ihres jetzigen Lebens gesegnet haben sollte. Muss man dann noch fünf weiteren Inkarnationen entgegenbangen? Wenn sie noch zwei Jahre durchhält, kämen nach dieser Rechnung 500 Jahre zustande. Immerhin die Halbwertszeit des Tausendjährigen Reiches.

Ihre Statisten hatten nur ein Leben, und in Mehrheit war dieses Leben sehr kurz und endete in Auschwitz. Sollte Frau Riefenstahl tatsächlich darauf sinnen, ihre letzten Tage mit Überlegungen zu verbringen, „diejenigen umzubringen“, die eine unbequeme Wahrheit über sie recherchiert, veröffentlicht und vor Gericht bewiesen haben, so frag ich mich, welche Tötungsart sie sich vorstellt. Für den Fall, dass sie für die inzwischen aus der Mode gekommenen Öfen optiert, die in ihrer Jugendzeit so gebräuchlich waren, könnte ich ihr schon mal meine Köpermasse zu Verfügung stellen, damit’s dann auch passt, gell, Frau Riefenstahl.NINA GLADITZLeni Riefenstahl erhob 1983 Verleumdungsklage gegen die Dokumentarfilmerin Nina Gladitz, die in ihrem Fernsehfilm „Zeit des Schweigens und der Dunkelheit“ (1982) sagte, dass Riefenstahl 1940 sechzig Zigeuner aus dem Sammellager Maxglan bei Salzburg als Komparsen für ihren Film „Tiefland“ zwangsverpflichtete. Nach den Dreharbeiten kehrten die Zigeuner ohne finanzielle Entlohnung ins Lager zurück. Von dort aus wurden sie nach Auschwitz deportiert. Nach dem Urteil des Freiburger Landgerichts gilt es als erwiesen, dass Riefenstahl die Zigeuner persönlich aussuchte, sie zwangsverpflichtete und nicht entlohnte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen