: „Ich saß 30 Tage im Gefängnis“
Aus Belarus, Venezuela und Mexiko kommen die verfolgten Journalist*innen, die mit dem Refugium-Stipendium in Berlin Schutz, Erholung und Vernetzung suchen

taz: Sie sind eine sehr junge Journalistin, und trotzdem sind Sie in die Fänge der belarussischen Behörden geraten. Was ist passiert?
Glafira Zhuk: Mein Weg als Journalistin begann 2020. Ich war Studentin an der staatlichen Journalismus-Fakultät – mit einem staatlichen Stipendium. Dann begannen die Anti-Regierungs-Proteste, und ich überlegte, wie ich der Bewegung helfen könnte. Ich schrieb einen winzigen Artikel für die Zeitung Narodnaya Volya („Volkswille“). Ich hatte nie gedacht, dass die ihn veröffentlichen würden, doch sie wollten mehr.
taz: Und was passierte dann?
Zhuk: Ich geriet in der Uni ins Blickfeld von Dozenten, es gab Krach, und ich fing mir einen Tadel ein. Dann haben sie Studenten wegen ihrer Proteste vor Gericht gestellt, ich ging dahin, alle standen vor dem Gebäude herum, in den Gerichtssaal kam man nicht. Zwei Wochen später haben sie mich festgenommen, es waren drei Männer, ich saß gerade beim Friseur, es war gegen 16 Uhr. Ich saß 30 Tage im Okrestina-Gefängnis…
taz: … das wegen der brutalen Behandlung der Gefangenen verrufen ist …
Zhuk: Ich kam in eine Zweierzelle, in der 16 Frauen eingesperrt waren. Wir haben auf dem Boden geschlafen, immer abwechselnd. Sie haben mich nicht geschlagen, aber die Bedingungen waren Folter. Das Licht brannte Tag und Nacht.
taz: Zum Ende der 30 Tage Haft …
Zhuk: … saß ich drei Tage im Karzer, es war bitterkalt. Zudem fing ich mir Covid ein, ich bekam eine Tablette Paracetamol am Tag. Mein Vater hatte mir Sachen gebracht, die wurden mir allerdings nicht ausgehändigt.
taz: Nach der Freilassung …
Zhuk: …musste ich überlegen: Weitermachen mit dem Risiko, wieder im Gefängnis zu landen, oder das Land verlassen. Die Uni hat mich rausgeworfen. Zunächst wurde ich einen Monat nach Bremen eingeladen, dann zog ich nach Kyjiw. Da war das Leben billiger. Ich blieb dort vier Monate, dann begann der Krieg. Ich zog nach Litauen.
taz: Wie halten Sie sich da über Wasser?
Zhuk: Ich arbeitete für Radio Free Europe für den belarussischen Service und Radio Liberty. Geld gab es nicht viel, ich musste mich entscheiden: Miete bezahlen oder essen.
taz: Was erhoffen Sie sich von dem Auszeitprogramm in Berlin?
Zeit zum Durchatmen
Seit 2015 vergibt die taz Panter Stiftung in Kooperation mit der NGO Reporter ohne Grenzen jedes Jahr zwei Refugium-Stipendien an gefährdete Journalistinnen aus Krisenregionen. Im Programm 2025 verbringt eine Journalistin aus Belarus sechs Monate in Berlin, während sich die Journalist*innen aus Venezuela und Mexiko das sechsmonatige Stipendium mit jeweils drei Monaten aufteilen.
Die gefährdeten Journalist*innen nehmen sich eine Auszeit und erholen sich – ganz ohne Gegenleistung.
Spenden Sie jetzt!
Das Refugium-Programm wird allein durch Spenden finanziert (taz.de/spenden) – pro Stipendium benötigt die taz Panter Stiftung rund 25.000 Euro.
Haben Sie eine Wohnung?
Die Refugium-Stipendiat*innen leben in Wohnungen in Berlin, die Spender*innen zur Verfügung stellen. Kontaktieren Sie uns gerne, falls Sie die taz Panter Stiftung auf diese Art und Weise unterstützen möchten: stiftung@taz.de (030) 25902-213
Zhuk: Ich möchte mich einfach nur erholen. Außerdem will ich mein Englisch verbessern, denn ich würde gerne mein Studium in Großbritannien beenden. Derweil schaue ich mir Berliner Museen an, ich spreche einmal in der Woche mit einem Psychologen und ich habe einen Englisch-Nachhilfelehrer.
taz: Werden Sie weiter als Journalistin arbeiten?
Zhuk: Ja, wenn es die Situation zulässt, denn die Finanzierung unabhängiger belarussischer Medien ist sehr schwierig, wir verlieren unsere Arbeitsplätze.
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