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Ich-AG als AlleinunterhalterDa steppt der Fuchs

Nach einer beruflichen Krise erfindet sich ein Musiker neu und wird zum Alleinunterhalter Lasca Fox. Er ist mit dem E-Bike unterwegs – bis Finnland.

Multiinstrumentalist Lasca Fox bei seinem Auftritt im Britzer Garten in Berlin-Schöneberg Foto: Dagmar Morath

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Karlotta Ehrenberg aus Berlin

taz | Nebel steigt auf, Discobeats erklingen, bunte Lichter blinken: Ein Typ in fuchsrotem Anzug, mit Schnurrbart und weißer Sonnenbrille spielt ein Konzert auf einer Minibühne, am helllichten Tag, im Britzer Garten. Lasca Fox heißt die Ein-Mann-Band aus Berlin, die die etwas irritiert rüber schauenden Spa­zier­gän­ge­r:in­nen zum morgendlichen Tanz animieren will: „Na, sehe ich da eine Hüfte wackeln? Nur zu! Solang es die Hüfte noch tut!“ Lasca Fox ist für ein Familienfest in dem beliebten wie weitläufigen Landschaftspark im Süden Berlins für den ganzen Tag gebucht.

Tatsächlich scheint es mindestens so sehr der eingängige Sound zu sein wie die Neugier, die zum Stehenbleiben zwingt: Lasca Fox ist nicht nur eine freakige Erscheinung, seine Minibühne steht auf einem Fahrradhänger. Der Musiker hat die 400 Kilogrammlast seines „Lasca Fox Mobils“ eigens mit dem Rad hergefahren, 20 Kilometer waren es bis hierhin.

Der nötige Strom für seine Show kommt aus einer Batterie, die mit zwei faltbaren Solarpaneelen verbunden ist. „Pro Stück ungefähr 200 Watt“, informiert der Musiker das Publikum in einem Erklärsong. Zum Glück sei die Batterie heute jedoch voll geladen, räumt er ein. Sonne gibt es wenig an diesem Tag.

Zur Person

Der Musiker und Alleinunterhalter Lasca Fox verrät weder seinen bürgerlichen Namen noch sein genaues Alter, er ist etwa Mitte 30 und stammt aus Bonn. Studiert hat er Jazzsaxophon, in Arnheim (NL) und am Jazzinstitut in Berlin. Wer noch mehr über Lasca Fox und sein Konzept erfahren will, höre den „Lasca Fox Song“, er ist auf allen gängigen Streaming-Plattformen zu finden, so wie auch der Rest seines Repertoires – Ohrwürmer sind garantiert. Für Videos, Informationen und Kontaktmöglichkeiten konsultiere man hingegen die Webseite lascafox.com. (keh)

Sechs Stunden wird Lasca Fox die Park­be­su­che­r:in­nen unterhalten. Er spielt abwechselnd Saxofon oder Keytar – das ist ein Keyboard zum Umhängen –, singt in ein Mikrofon und spricht in ein zweites die Ansagen ein. Weitere Instrumente hat er programmiert und auf dem Laptop dabei, per Knopfdruck bestimmt er, was wie lang zur Livemusik dazu gemischt wird. Als studierter Jazzmusiker weiß Lasca Fox zu improvisieren, und dieser Song darf jetzt gerne länger gehen, denn vor der Seifenblasenmaschine hat sich eine Menge Kinder versammelt. Die Eltern sehen fasziniert dabei zu, wie der Musiker fliegend die Rollen wechselt. „Irgendwie geht die Lichtshow nicht“, stellt dieser nun fest und klettert vom Podest, um die Kabel zu überprüfen.

„Ich bin alles“

Gibt es ein technisches Problem, dann ist Lasca Fox auf sich allein gestellt. „Ich bin alles“, sagt er der taz im Interview. „Ich bin Logistiker, Techniker und Leiter, mein Booker, Manager und Merch-Verkäufer. Und mein Produzent und Songwriter bin ich auch.“

Den Schritt zum fahrradfahrenden Alleinunterhalter als Ich-AG machte der Musiker in der Coronazeit, 2020. „Da war ja alles zu, und ich stellte mir die Frage, wo ich auftreten kann.“ Und eine Minibühne auf einem Fahrradhänger lässt sich einfach und flexibel draußen aufstellen.

Schon länger hatte der Wahlberliner überlegt, wie er seiner musikalischen Laufbahn eine neue Richtung geben könnte. „Ich wollte mein eigener Chef sein“, sagt er. „Wollte endlich selbst bestimmen, was ich mache.“ Nach seinem Studium am Jazzinstitut Berlin war er jahrelang als Saxofonist durch das Land getourt. „Mich hat genervt, dass man es nie in der Hand hat, sondern immer abhängig ist von dem, was kommt, also von Bands, die einen buchen“, so Lasca Fox. Die Auftritte hätten zwar Spaß gemacht, künstlerisch weiterentwickelt habe er sich jedoch nicht.

Ich wollte mein eigener Chef sein, wollte endlich selbst bestimmen, was ich mache

Laca Fox, Alleinunterhalter

Besonders belastend empfand er die vielen Reisen, sagt Lasca Fox: „Nicht nur wegen der vielen Zeit, die dabei draufgeht, sondern auch der ganze CO2-Ausstoß. Da fährt man sechs, sieben Stunden hin, spielt eine halbe Stunde und fährt dann wieder zurück.“ Nachhaltig sei das nicht gewesen, und finanziell gelohnt habe es sich auch nicht: „Da kommt man nicht mal auf den Mindestlohn.“ Wobei Geld nicht der ausschlaggebende Grund für den beruflichen Neuanfang gewesen sei, so der Musiker: „Das Hauptding war der Wunsch nach mehr Selbstwirksamkeit und dass ich meine Talente wirklich auslebe.“

Business-Konzept samt Corporate-Identity-Strategie

Aber auch auszahlen sollte sich die Kunst endlich. Und dafür brauchte es ein Business-Konzept samt ausgeklügelter Corporate-Identity-Strategie. Dafür musste zuerst ein Name her. „Ich hab einfach Silben vor mich hergesagt, und dann kam da ‚Lasca‘ raus, das fand ich ganz schön. Und dann hab ich angefangen aus den Buchstaben ein Layout zu machen … und kam dann völlig zufällig zu diesem Bild von dem Fuchs. Da hatte ich es: Lasca Fox.“ Noch bevor der erste Song fertig war, ließ er sein neues Logo auf Merchandise-Artikel drucken sowie auf die Plane für den Fahrradhänger.

Eine Firma erklärte sich zum Bau der mobilen Bühne bereit, den Entwurf dafür lieferte der Tausendsassa selbst. Zeitgleich entstanden die ersten Songs, geschrieben, komponiert und produziert in einem Keller. Ein bestimmtes Genre verfolge er dabei nicht, sagt Lasca Fox, er mache einfach Songs, zu denen er selber gerne tanze. „Meine Musik ist aber sicher sehr von Funk und Soul der 70er Jahre geprägt“, meint er. „Anscheinend heißt das jetzt Nu-Disco. Hat mir jemand gesagt.“

Allmählich reift Lasca Fox zu einer eigenständigen Figur heran, charmant, aber auch ein wenig frech, umweltpolitisch engagiert, mit Schalk im Nacken und Rhythmus im Blut. Verstellen müsse er sich dafür nicht, meint der Musiker: „Lasca Fox ist eine Karikatur von mir, die manche Persönlichkeitsanteile verstärkt und andere ausblendet.“

Anfang 2021 ist alles startklar. „Ich habe sehr viel Kaltakquise gemacht und auch Presse angeschrieben und gesagt: Hey, krasses Konzept, Leute, die Story eures Lebens.“ Auf die PR-Kampagne reagiert kein Medium, auch die taz nicht. Aber dem Künstler gelingt es, die ersten Aufträge an Land zu ziehen.

500 Kilometer bis nach Frankfurt am Main

Eine seiner ersten Touren soll ihn auf die Eurobike-Messe nach Frankfurt am Main bringen, bis dahin sind es über 500 Kilometer. „Die meisten Leute, denen ich das erzählt habe, haben gar nichts gesagt und nur skeptisch geguckt“, berichtet Fox. „Ein Verkäufer aus dem Laden, in dem ich mein Lastenfahrrad gekauft habe, meinte, das kannst du doch gar nicht ziehen, das ist viel zu schwer. Aber ich dachte: Doch, das geht, ich mache das jetzt einfach.“ Seinen Auftraggeber überzeugt er, etwas für die Fahrt dazuzusteuern, auch das Wetter meint es gut mit ihm. Und siehe da: Es geht tatsächlich. Sieben Tage später steht das „Lasca Fox Mobil“ auf dem Messegelände, der Fuchs steppt und die Fach­be­su­che­r:in­nen mit ihm.

Gleich darauf geht es weiter, zu einem Zirkus-Festival nach Finnland. Lasca Fox transportiert Fahrrad und Hänger in einem Lkw bis zur Fähre, in Finnland strampelt er noch 120 Kilometer zum Veranstaltungsort. „Als ich angefangen habe, das Konzert zu spielen, waren da nur fünf Leute“, erinnert er sich. „Aber dann hat sich das gefüllt, und am Ende war das eine richtig geile Party. Ein befreundeter Musiker meinte, das war das beste Konzert, das er je gehört hat. Und ein anderer sagte: Yeah, you got it! Und ich hab auch selber gespürt, dass ich die Leute unterhalten kann, wenn sie im richtigen Mindset sind.“

Finanziell sei die Tour „ein Desaster“ gewesen, denn die Gage sei komplett für den Transport draufgegangen, sagt Lasca Fox rückblickend, „aber diese Erfahrung trägt mich bis heute.“

Aber diese Erfahrung trägt mich bis heute

Lasca Fox

Klar habe es immer wieder Momente gegeben, in denen er geflucht habe, etwa als er bei saukaltem Wetter auf der Velo Berlin stand: „Es hat mir in den Rücken genieselt, und auf dem Tempelhofer Feld war immer so ein scheiß Wind“ erzählt er. „Das Schlimmste aber war, dass meine Technik nicht ging, und ich nicht wusste, warum. Das hat mich dermaßen fertig gemacht.“

Egal, wie sehr er sich aber auch abstrampele, gezweifelt habe er nie, sagt Lasca Fox. Und gegen Motivationskiller hat er ein wirksames Mittel: seine Kunst. So hat er seinem inneren Kritiker ein Lied gewidmet („Little Devil“) und die kraftzehrende Fahrradtour in den Spreewald in dem Song „Müde“ verarbeitet.

„Ich bin zufrieden“

Musikalisch geht er stetig neue Wege. So singt Fox nun im Duo mit „Kami Katze“. Das schräge Miauen stammt von seinem Haustier, er hat es auf die Keytar programmiert, ein Plüschdouble der Katze tritt auf. Auch das Angebot wurde erweitert, in den Pausen bietet Lasca Fox nun einen Energie-Workshop für Kinder an. Dieses Jahr hat sich der Musiker zudem als Veranstalter ausprobiert. Das erste Konzert war das Record-Release seines Albums „11.000 Kilometer“, benannt nach der Strecke, die er als Lasca Fox hinter sich gebracht hat. Es versammelt alle Songs der letzten vier Jahre.

„Ich bin zufrieden“, stellt Lasca Fox resümierend fest. Er habe viel dazu gelernt. „Am Anfang hatte ich das Gefühl, ich habe jetzt eine Firma und bräuchte 20 Mitarbeiter, aber ich bin nur einer mit den Fähigkeiten eines Praktikanten“, sagt er. „Nach und nach hab ich aussortiert, und heute weiß ich, wo mein Limit ist.“ 100 Kilometer, weiter fahre er nicht. Klar passiere es immer noch, dass er sich verkalkuliere, im letzten Jahr habe er den schweren Hänger einen Berg hochziehen müssen, weil das E-Bike die krasse Steigung nicht schaffte.

Im Großen und Ganzen kenne er sich nun jedoch aus, und zwar nicht nur hinsichtlich des Ladestands seiner Batterien, sondern auch was seinen eigenen Energiehaushalt betreffe. Mitunter hieße das, Abstriche zu machen, sagt der Künstler: „Solange ich den Ton selber mische, wird das nie meinen Ansprüchen entsprechen.

„Und auch Kunden und Presse laufe er nicht mehr hinterher, so Lasca Fox: „Ich verschwende keine Energie mehr darauf, den Leuten zu sagen, dass sie mich brauchen. Es läuft auf niedrigem Niveau. Aber es läuft und reicht, um weiterzumachen.“

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