IWF-Jahrestagung: Ende der Harmonie
Die Weltwirtschaft wächst und die Eurozone ist halbwegs stabil. Doch die US-Regierung trübt bei der IWF-Jahrestagung die Stimmung.
Doch hinter den Kulissen ist das Klima bei dieser Jahrestagung zwischen den USA und dem Rest der Welt so gespannt wie kaum jemals zuvor. Es gibt wenige Politikfelder, auf denen die Regierung von Donald Trump nicht im Clinch läge mit dem Rest der Finanz- und Wirtschaftswelt. „America First“, das wirtschafts- und handelspolitische Motto von Donald Trump, wird zum Kampfbegriff.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble reiht sich bei seinem letzten großen internationalen Auftritt im Regierungsamt in die große Gruppe der Mahner ein, die für mehr Freihandel plädieren. Die darauf hinweisen, dass das Bewältigen der großen, weltweiten Finanzkrise auch möglich war, weil die internationale Gemeinschaft zusammengeholfen hat.
Keiner nennt Trump beim Namen, auch Schäuble nicht. Doch er warnt: „Wir sollten uns alle Sorgen machen über ein langsames Wachstum des Welthandels und die zugenommene Rhetorik gegen Freihandel.“ Beides seien Bedrohungen für den gemeinsamen wirtschaftlichen Wohlstand. Der Handel habe Millionen von Menschen die Möglichkeit gegeben, aus der Armut herauszukommen. Er habe Stabilität gebracht und Wohlstand auf der ganzen Welt sowie die globale Zusammenarbeit gefördert. „Wir brauchen mehr Offenheit, nicht weniger“, sagte Schäuble.
„Jobs, Jobs, Jobs“ vs. Ungleichheit
So ziemlich alles, was aus dem Weißen Haus und den angeschlossenen Ministerien in der Vergangenheit handels- und wirtschaftspolitisch verlautbart wurde, erfuhr beim IWF in den Tagen von Washington einen Konter. Trumps Steuerpläne seien nicht ausgereift, man brauche mehr Informationen, hieß es. Und: Man müsse nicht nur die Steuer senken, sondern auch die Frage beantworten, wie man das dann gegenfinanzieren wolle.
Trumps Mantra „Jobs, Jobs, Jobs“ begegnet der IWF mit einem anderen Thema: Ungleichheit. Die ungerechte Verteilung von Wohlstand, nicht nur unter den einzelnen Ländern der Welt, sondern auch innerhalb der einzelnen Volkswirtschaften, sei ein ungelöstes Problem, fanden die Experten im neuen Weltwirtschaftsbericht heraus. Die Hälfte des weltweiten Vermögens sei auf nur ein Prozent der Weltbevölkerung konzentriert. Auf die USA gemünzt heißt das: Trump muss nicht nur Jobs schaffen, sondern die Einkommen der Hunderttausenden von Billigarbeitern erhöhen. Und das möge er gefälligst über seine Steuerreform bewerkstelligen.
Am klarsten fasst es vielleicht der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, zusammen. Die Weltwirtschaft floriere, aber es gebe auch Risiken. Was er aufzählt, hat alles mit Donald Trump zu tun: Protektionismus, das Zurückdrehen von Finanzmarktregulierung – und nicht zuletzt galoppierende Aktienkurse als Vorschusslorbeeren auf eine Politik, die vielleicht gar nicht kommt. „Die hohe Bewertung hat etwas mit Erwartungen zu tun“, sagte Draghi. Würden diese nicht erfüllt, würden die Börsen wohl schnell Korrekturen vornehmen.
Erfolgsmeldungen des IWF
Dass Trumps Finanzminister Steven Mnuchin – ein früherer Investmentbanker und Filmproduzent – noch einen Streit darüber vom Zaun bricht, ob die IWF-Manager zuviel verdienen, passt ins Bild. Auch dass die Trump-Regierung als größter Anteilseigner von Fonds und Weltbank eine Aufstockung des Budgets für die entwicklungspolitischen Aktivitäten der Weltbank verweigert.
In der Bankenszene wächst der Unmut ebenfalls. Die Welt will strengere Vorschriften, die USA wollen sie lockern oder nach ihrer Façon ändern. So warnten die deutschen Banken in Washington vor erheblichen Wettbewerbsnachteilen gegenüber ihren US-Konkurrenten durch die geplanten neuen Kapitalvorschriften für Geldhäuser. „Eine Einigung muss die in Europa und den USA stark voneinander abweichende Kreditvergabepraxis berücksichtigen“, forderte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken, Michael Kemmer. „Alles andere würde erhebliche Nachteile mit sich bringen, gerade auch für unsere Wirtschaft.“
Hinter dem Streit mit den USA blieben die Erfolgsmeldungen des IWF fast blass. Das Wachstum der Weltwirtschaft hat angezogen, seit zehn Jahren stand die weltweite Wirtschaftsleistung nicht mehr so stabil da wie jetzt. 800 Millionen Menschen haben seit den 1990er Jahren die Armutszone verlassen. Die Eurozone hat die Krise überwunden, in Ländern wie Portugal, Spanien und selbst in Griechenland geht es aufwärts, wie IWF-Europadirektor Poul Thomsen darstellte.
Trotzdem warnten auch viele, dass nach dem Aufschwung auch immer ein Konjunkturtal warte. Schäuble sagte: „Wir können es uns nicht leisten, zu optimistisch zu sein oder die Risiken und Herausforderungen aus den Augen verlieren, vor denen wir immer noch stehen.“ IWF-Chefin Christine Lagarde warnte wie viele ihrer Kollegen und zum Schluss auch der IWF-Lenkungsausschus (IMFC) unter Zuhilfenahme eines Kennedy-Zitats: „Das Dach repariert man dann, wenn die Sonne scheint.“
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