piwik no script img

ITALIENS STRAFRECHT WIRD AUF DEN REGIERUNGSCHEF ZUGESCHNITTENEine Amnestie würde weniger schaden

Man möge doch für Ministerpräsident Silvio Berlusconi sowie für zehn vom Regierungschef selbst zu benennende Mitstreiter einfach eine Generalamnestie beschließen – dieser provokante Vorschlag mit der Zusicherung kompletter Straflosigkeit stammt keineswegs von einem der zahlreichen Rechtsanwälte, die Berlusconi als Forza-Italia-Abgeordnete ins Parlament geschickt hat. Es war der Oppositionspolitiker Nando Dalla Chiesa, der den Persilschein für den Polit-Industriellen mit den zahlreichen Verfahren am Bein forderte.

Dalla Chiesa treibt die Sorge um den Rechtsstaat Italien um. Denn an einer Generalamnestie für sich und seine Treuen bastelt Berlusconi schon seit einem Jahr, allerdings auf Umwegen. Auf Umwegen, die gefährlich für das Gleichgewicht der Gewalten genauso wie für die Rechtsgleichheit der Bürger sind. Die Abschaffung des Straftatbestands Bilanzfälschung, das torpedierte Rechtshilfeabkommen mit der Schweiz, die legalisierten schwarzen Auslandskassen und jetzt die auf die eigene Person zugeschnittene Justizreform, die mildernde Umstände für ältere Herrschaften vorsieht – Berlusconi lässt nichts unversucht, um sich seinen Richtern zu entziehen.

Dass Mafiosi und Menschenhändler von mancher seiner Reformen genauso profitieren können, schert den Regierungschef nicht. Statt sich seinen Richtern zu stellen und seine Unschuld zu beweisen, zieht Berlusconi es vor, seinen höchst privaten Ärger mit der Justiz in einen Flächenkrieg gegen die dritte Gewalt umzuwandeln. Er selbst hat – mit Berufung auf die Mehrheit der Italiener, die ihn gewählt haben – das Urteil über die ihn plagenden Richter schon lange gefällt, und nun schreitet er zur Exekution. Eine zahnlose Justiz muss her, eine Justiz, in der der Angeklagte – wenn er denn über ein pfiffiges Anwaltskollegium verfügt – sich seine Richter in Zukunft selbst auswählt und nicht genehme Juristen einfach als „befangen“ abschmettern kann.

In Worten und Taten untergräbt Berlusconi so systematisch das Vertrauen der Italiener in die Justiz – und er schafft immer neue Instrumente, um Prozesse zu verzögern, zu verschleppen, am besten gleich ganz einzustellen. Mit dieser Amnestie auf Umwegen dürfte der Regierungschef bald auf der sicheren Seite sein; zugleich aber wird die Justizreform in eigener Sache Konsequenzen nach sich ziehen, die weit über Berlusconis Person hinausgehen. Eine Rechtsordnung, die für die Mächtigen so recht nicht gilt – dies könnte eine der Hinterlassenschaften der Ära Berlusconi werden. Der Schaden für das Land wäre in der Tat geringer, wenn Italiens Rechte den direkten Weg einschlüge: Amnestie für Berlusconi! MICHAEL BRAUN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen