IRA-ENTSCHULDIGUNG: IN NORDIRLAND IST EIN ENDE DES TERRORS IN SICHT: Mehr als eine symbolische Geste
Die Entschuldigung der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) bei den Familien von Unbeteiligten, die sie in den vergangenen 30 Jahren umgebracht hat, ist Teil einer Strategie, die den nordirischen Friedensprozess retten soll. Sie ist durchaus ernst gemeint, wenn auch viele Protestanten sie als zynisches Lippenbekenntnis abtun.
Für keine andere Konfliktpartei ist dieser Friedensprozess so wichtig wie für Sinn Féin, den politischen Flügel der IRA. Die Partei ist im Zuge der Friedensverhandlungen zur stärksten Kraft auf katholisch-nationalistischer Seite geworden. Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams und sein Vize Martin McGuinness haben die IRA bislang zur Aufgabe zahlreicher eherner Prinzipien bewegt, indem sie eine rosige Zukunft als Belohnung malten. Sie haben damit viel riskiert. Bricht der Friedensprozess zusammen, stürzt Sinn Féin ins Bodenlose.
Eine Rückkehr zum bewaffneten Kampf ist keine Option, weil die Bevölkerung in den katholischen Ghettos das nicht mehr unterstützen würde. Deshalb hat die Organisation immer dann, wenn es kritisch wurde, eine symbolische Geste gemacht. Sie hat Waffenlager inspizieren lassen, und sie hat einen Teil ihrer Waffen abgegeben. Neulich hat der erste Sinn-Féin-Bürgermeister Belfasts, Alex Maskey, einen Kranz für die Opfer der Schlacht an der Somme niedergelegt, in der überwiegend Protestanten gestorben waren.
Doch das reicht den protestantischen Unionisten nicht. Die meisten weisen die IRA-Erklärung als bedeutungslos zurück. Das war zu erwarten. Für die Unionisten ist der Friedensprozess eine Bedrohung, weil sie durch ihn ihre Privilegien gefährdet sehen. Viele von ihnen sehen Nordirland als ihr Eigentum an. So stellen sie immer wieder neue Forderungen auf, bis hin zur Auflösung der IRA.
Und die IRA wird sich auflösen, denn es gibt keine andere Möglichkeit, will Sinn Féin nicht die gerade erst errungene Stärke und politische Bedeutung wieder einbüßen. Für die IRA ist das ein Drahtseilakt, weil sie durch zu schnelle Zugeständnisse die eigenen Mitglieder verprellen und an Splittergruppen verlieren würde. Aber bis zu ihrer Auflösung ist es eben nur eine Frage der Zeit.
RALF SOTSCHECK
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