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IPW-Institut: DDR braucht Wachstum von 8,5 Prozent

■ Bei fünf Prozent Massenarbeitslosigkeit / Haussmann: zweistelliges Wachstum DDR-Wissenschaftler: Lohn wird als Faktor für Konkurrenzfähigkeit überschätzt

Berlin (dpa/taz) - Die DDR-Wirtschaft wird ein Wachstum von jährlich 8,5 Prozent erreichen müssen, um die Arbeitslosigkeit in Grenzen zu halten und das Produktionsgefälle zwischen der Bundesrepublik und der DDR bis zum Jahre 2000 annähernd ausgleichen zu können. Zu diesem Ergebnis kommt eines der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute der DDR, das Berliner Institut für Internationale Politik und Wirtschaft (IPW), in einer jetzt veröffentlichten Studie. Bei einem Wachstum des Bruttosozialprodukts von nur fünf Prozent/Jahr sagen die Wirtschaftswissenschaftler bis 1995 den Abbau von 1,5 Mio. Arbeitsplätzen voraus. Bis zum Jahr 2000 könnten dann sogar 2,6 Mio. Stellen verlorengehen.

Viel hängt nach Ansicht des IPW davon ab, ob durch einen raschen Kapitalimport in Höhe von etwa 45 Milliarden DM ein wirksamer Investitionsschub erreicht werden kann. Wenn dieser Schub eine Eigendynamik auslösen könnte, würden die Betriebe in vier bis fünf Jahren ihre Anlagen modernisiert und auf bundesdeutsches Niveau gebracht haben.

Die Umstellung auf die D-Mark wird in der Studie als „Roßkur“ für die gesamte DDR-Wirtschaft charakterisiert. Selbst die Festsetzung der Löhne, Gehälter und Renten im Verhältnis von 1:1 werde für Durchschnittsverdiener reale Kaufkraftverluste von zehn Prozent bedeuten, Rentner müßten sogar mit 20 Prozent rechnen, falls nach dem Subventionsabbau kein Einkommensausgleich gezahlt werde.

Darüber hinaus können nach der IPW-Studie eine ganze Reihe von Unternehmen, besonders aus dem Grundstoffbereich, der Nahrungs- und Genußmittelproduktion, ohne staatliche Unterstützung nicht überleben. Andere Betriebe, vor allem aus der Elektroindustrie, dem Maschinenbau sowie der Leichtindustrie, könnten dagegen in kurzer Zeit wettbewerbsfähig werden, wenn sie ihre Chancen nutzten.

Wirtschaftsprofessor Harry Maier, bis 1985 in der DDR tätig, hat in einem Beitrag für die 'Zeit‘ den 2:1 -Umrechnungsvorschlag der Bundesbank für die DDR-Löhne kritisiert. Die Bundesbank ging davon aus, daß die Betriebe bei einer Umstellung von 1:1 die dann fällige Lohnzahlung in D-Mark nicht leisten könnten, weil sie nicht konkurrenzfähig seien. Maier hält dagegen die Löhne nicht für den ausschlaggebenden Faktor für die Konkurrenzfähigkeit: „Ursache“ für die schlechte Wettbewerbsfähigkeit der DDR -Unternehmen sei vielmehr deren „wachsende Innovationsträgheit“. Es sehe so aus, „als ob der Zentralbankrat den Anteil des Lohnes am Umsatz der DDR -Industrie überschätzt. Im Jahre 1988 betrug er ganze 8,8 Prozent.“ In der BRD beträgt er 20,1 Prozent. Maier geht davon aus, daß bei einem Umtauschverhältnis von 2:1 nicht nur nichts gewonnen werde, sondern „die DDR-Wirtschaft ihres einzigen positiven Wettbewerbsfaktors beraubt“ würde, „nämlich ihrer qualifizierten Facharbeiter, Meister, Ingenieure, mittleren Manager und Wissenschaftler, die wenig Grund mehr hätten, in ihrer Heimat zu bleiben.“ Nach Maiers Berechnungen beträgt der Durchschnittslohn pro Arbeitsstunde (Ost) heute nur ein Drittel des Westlohnes.

In spätestens drei Jahren erwartet Bundeswirtschaftsminister Haussmann (FDP) in der DDR ein Wirtschaftswunder mit zweistelligen Wachstumsraten. 1993 könne die DDR wirtschaftlich auf EG-Niveau sein, sagte er gegenüber der 'Bild'-Zeitung. Die D-Mark werde noch stärker, wenn erst in der DDR die Marktwirtschaft eingeführt wird. Haussmann glaubt nicht, daß nach einer Währungsunion die Preise in der BRD steigen werden. Der zusätzlichen Kaufkraft in der DDR stünden ausreichend Waren gegenüber. Er schätzt, daß 1990 mehr als 400.000 neue Arbeitsplätze in der Bundesrepublik geschaffen werden und die Arbeitslosenzahl auf jeden Fall bis zum Herbst unter zwei Millionen bleiben wird.

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