IOC-Chef in Japan: Olympia in der Ferne

IOC-Chef Thomas Bach besucht Japan, wirbt für die Spiele 2021 und verspricht Impfungen. Doch die Stimmung im Land kippt. Eine Absage ist denkbar.

Thomas Bach, zwei Olympiamaskottchen und die Gouverneurin von Tokio auf einem Podium

In olympischer Mission: IOC-Chef Thomas Bach mit Yuriko Koike, Gouverneurin von Tokio Foto: Kyodo/dpa

Begrüßung mit der Faust, Ausfahren des Ellenbogens. Um die Symbolik, mit der der deutsche IOC-Präsident Thomas Bach derzeit auf einer Japanreise seinen Gastgebern gegenübertritt, höflich zu finden, braucht es schon die Coronakrise. Dabei spricht Bach von gerade einem ganz anderen Symbol, das er aussenden möchte: „Wir werden diese Olympischen Spiele wieder zu einem großen Symbol der Solidarität und der Einheit der Menschheit in dieser Welt machen, die bis dahin hoffentlich eine Welt nach dem Coronavirus sein wird.“

Sie sollen also stattfinden, die Olympischen Spiele 2021, die offiziell immer noch „2020“ heißen. Am 23. Juli 2021 soll es losgehen, und die durch Corona bedingte Verschiebung hat die Kosten nach Schätzung der Zeitung Japan Times um umgerechnet 2,4 Milliarden auf 11,3 Milliarden Euro erhöht. Forscher der University of Oxford hatten ermittelt, dass es die teuersten Olympischen Spiele jemals werden – und deren Studie stammte noch aus Zeiten vor der Coronapandemie.

Thomas Bach ficht das nicht an. „Inspirierend“ und „authentisch“ nannte er an seinem zweiten Besuchstag das Olympiastadion, an dem er Sportler traf und sich das Olympische Dorf zeigen ließ. Mit seinen Fäusten und seinen Phrasen wollt er auch dort Optimismus verbreiten.

Damit kommt er jedoch nicht einmal bei Olympiafreunden in Japan gut an. Hitoshi Oshitani, der als Virologe die japanische Regierung berät, ist skeptisch. „Ich glaube, nach derzeitigem Stand wäre es schwierig, die Olympischen Spiele zu veranstalten“, wird er von dem Onlinedienst sportbuzzer zitiert. Und Kōhei Uchimura, dreimal Olympiasieger, sechsmal Weltmeister im Turnen, sagte der Japan Times, er wünsche, dass die Spiele verschoben werden. „Leider glauben 80 Prozent der Japaner nicht, dass infolge der Covidpandemie die Olympischen Spiele in Tokio stattfinden können“, sagte Uchimura. Er selbst sei ja dafür, aber man müsse über diese Sorgen reden. Und das geschehe nicht.

Alle sollen geimpft werden

Beziehungsweise, so wie es geschieht, funktioniert es nicht. Thomas Bach etwa verkündete, sein IOC wolle „so viele ausländische Teilnehmer wie möglich davon überzeugen“, sich impfen zu lassen. Auch Funktionäre und ausländische Zuschauer sollten das machen. Das IOC wolle in Absprache mit den Nationalen Olympischen Komitees die Kosten übernehmen. „Das geschieht aus Respekt vor den Japanern und zum Schutz des japanischen Volkes.“ Die japanische Regierung kündigte derweil an, bis Juni 2021 die gesamte japanische Bevölkerung gegen Covid-19 impfen zu wollen.

Neben diesen Vorsorgemaßnahmen wird jedoch zugleich über Pläne berichtet, Sportler und Besucher von der bislang bestehenden 14-tägigen Quarantänepflicht zu befreien. Aber, fragt die Japan Times, „können Sportler einen Impfstoff ablehnen und trotzdem antreten?“ Ja, sagt Bach, es gebe keine Impfpflicht. Aber, fragt die Zeitung weiter, „was ist, wenn der Impfstoff einen Sportler wenige Tage vor dem Wettkampf krank macht?“ Diese Frage scheinen sich IOC und Organisationskomitee nicht stellen zu wollen. Quarantäne müsse reichen. Bach selbst übrigens hat sich für seinen Kurztrip auch nicht an die in Japan geltende 14-Tage-Pflicht gehalten – er hat sich testen lassen und war vorher freiwillig fünf Tage in Quarantäne.

In Japan findet derzeit der Sport so eingeschränkt statt wie sonst fast überall auf der Welt. Mehrere Spiele der Baseballprofiliga wurden ausgetragen – mit 50 Prozent der üblichen Zuschauer, doch die hielten sich kaum an die Vorgaben, Abstand zu halten, nicht zu laut zu jubeln und Ähnliches. Schon beim ersten Spiel, berichtet die Frankfurter Allgemeine, „hatten sich Schlangen gebildet – trotz einer App, die genau dies verhindern sollte“.

Zu Testzwecken fand jüngst auch ein Turnwettkampf mit Teams aus China, Russland, den USA und Japan statt – und 2.000 Fans in der Halle. Alle Sportler mussten eine 14-tägige Quarantäne vor der Einreise und einen täglichen Coronatest nachweisen. In Japan durften sie ihre Hotelzimmer nicht verlassen, wurden zum Essen und zu den Wettkämpfen eskortiert. Mit Blick auf diesen Wettkampf sagte Bach: „Das zeigt, dass man auch in diesen Zeiten professionelle Sportveranstaltungen organisieren kann.“

Olympia als Zoom-Meeting

Genki Sudo, ein früherer MMA-Kämpfer, Ringer und Kickboxer, der jetzt in Japans Oberhaus sitzt, schlug halb im Scherz vor, man könne doch die Spiele wie ein Zoom-Meeting austragen, jeder in seinem Land. „Wenn die Trainingsbedingungen so unterschiedlich sind, ist das noch fair?“

Thomas Bach aber ist zumindest bis zum zweiten Tag seiner dreitägigen Reise nicht mit solchen Skeptikern zusammengetroffen. Nur Offizielle, deren Job es ist, optimistisch zu sein. Japans Ministerpräsident Yoshi­hide Suga etwa sagte zu Bach: „Die Spiele werden der Welt signalisieren, dass die Menschheit das Virus besiegt hat und dass Japan begonnen hat, sich von dem großen Erdbeben im Osten Japans im März 2011 zu erholen.“ Und Yoshiri Mori, Chef des Organisationskomitees, nannte die Ausrichtung des Megaspektakels gar „ein Muss für die Menschheit“.

Das sieht mittlerweile sogar Japans Wirtschaft anders: Von 67 im Lande ansässigen Firmen wurden bislang umgerechnet beinahe 3 Milliarden Euro aufgebracht, doch die Verschiebung bringt es mit sich, dass deren Sponsoringverträge erneuert werden müssen. Und nach einer Umfrage eines Fernsehsenders haben sich 33 Firmen noch nicht entschieden; bereit dazu seien nur 16 Firmen.

Gar nicht getroffen hat Thomas Bach explizite Olympiagegner, von denen es in Japan etliche gibt. Vor der Halle, in der der Vierländerkampf der Turner stattfand, demonstrierten 30 Japaner für die definitive Absage des Spektakels. Sie werfen den Organisatoren Verschwendung von öffentlichen Geldern vor, die dringend für den Wiederaufbau des Landes nach dem verheerenden Erdbeben gebraucht worden wären. Außerdem erinnern sie an Bestechungsskandale, durch die Tokio erst den Zuschlag erhalten habe.

Explodierende Kosten, abspringende Sponsoren, unwillige Bevölkerung und in ihrer Vorbereitung arg eingeschränkte Sportler – das größte Sportfest der Welt droht ein Debakel zu werden.

Mit Verweis auf den Investigativjournalisten Ryu Homma berichtet sportbuzzer bereits, dass Regierung und Organisationskomitee gerade darüber sinnierten, mit welcher Kommunikationsstrategie man am besten die überfällige Olympiaabsage plausibel machen könnte. Eine PR-Agentur sei schon damit beauftragt. Von den Organisatoren kam prompt ein Dementi. Vielleicht überzeugt das eher, wenn Thomas Bach wieder seine Fäuste und Ellenbogen ausfährt.

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