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IN NORDIRLAND SETZEN SICH DIE PROTESTANTISCHEN HARDLINER DURCHGezielter Terror

Der Rücktritt des nordirischen Premierminister war keine Überraschung – schließlich hatte ihn der Unionistenchef David Trimble vor Monaten selbst angekündigt. Er hätte seine Meinung nur noch geändert, wenn die IRA bis zum Wochenende mit der Abrüstung ihrer Waffen begonnen hätte. Das war nicht zu erwarten.

Trimble hat diese Waffenabgabe zur ultimativen Bedingung gemacht, um Chef der Ulster Unionist Party (UUP) zu bleiben. Seine Partei besteht zu gleichen Teilen aus Befürwortern und Gegnern des Belfaster Friedensabkommens vom Karfreitag 1998. Es war von Anfang an ein semantischer Balanceakt, der es protestantischen und katholischen Parteien gleichermaßen erlaubte, das Abkommen als Sieg zu verkaufen. Das konnte nur so lange gut gehen, bis die umstrittenen Punkte umgesetzt werden mussten.

Dieser Zeitpunkt ist gekommen. Jetzt hätten beide Seiten unumstrittene Führungspersönlichkeiten gebraucht. Stattdessen schnitt Trimbles UUP bei den britischen Parlamentswahlen Anfang Juni so schlecht ab wie nie zuvor. Pfarrer Ian Paisley und seine Partei, die eine Machtbeteiligung der Katholiken ablehnen und das Belfaster Abkommen gerne kippen würden, konnten dagegen deutlich zulegen. Trimbles Spielraum war deshalb ausgeschöpft, das haben ihm die Hardliner in seiner eigenen Partei klar gemacht. Der Rücktritt als Premierminister war seine einzige Möglichkeit, vorerst Parteichef zu bleiben und – sollte die IRA doch abrüsten – später als Premier zurückzukehren.

Die protestantischen Hardliner haben auch den Spielraum der IRA eingeengt. Eine Waffenabgabe ist in den katholischen Ghettos höchst unpopulär. Schließlich war die IRA Ende der Sechzigerjahre wieder auferstanden, als die katholischen Viertel von bewaffneten protestantischen Organisationen niedergebrannt wurden. Genau das geschieht jetzt wieder. In den vergangenen zwölf Monaten sind Hunderte katholischer Familien gewaltsam vertrieben worden. Diese Taktik der gezielten Provokationen war bereits 1972 und 1975 aufgegangen, als bewaffnete Protestanten mit ihren Terrorkampagnen den Waffenstillstand der IRA torpedierten.

Nordirland steht ein heißer Sommer bevor. Die Marschsaison des Oranierordens, der die protestantische Vorherrschaft symbolisiert, nähert sich ihrem Höhepunkt. In der Kleinstadt Portadown belagern die Oranier seit vier Jahren Tag und Nacht ein katholisches Viertel, weil sie nicht hindurchmarschieren dürfen. Trimbles Rücktritt gibt denjenigen Auftrieb, die den Marsch mit Gewalt durchsetzen wollen. RALF SOTSCHECK

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