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IN DER UKRAINE GELTEN VERFASSUNG UND GESETZ LÄNGST NICHTS MEHRKutschmas Überlebenskampf

Ein Nahziel hat der ukrainische Präsident Leonid Kutschma mit dem Rauswurf seiner Regierung erreicht: Da es keinen Außenminister mehr gibt, könnte Kutschma nun doch den Nato-Gipfel Mitte dieser Woche mit seiner Anwesenheit beehren. Doch geht es längst nicht nur um das Ticket nach Prag für einen, der wegen zwielichtiger Waffendeals mit dem Irak von der Gästeliste gestrichen war und auf dem besten Weg ist, als Paria Europas seinem weißrussischen Amtskollegen Alexander Lukaschenko Konkurrenz zu machen.

Vielmehr illustriert der abrupte Abgang von Anatoli Kinach samt seiner Mannschaft – offiziell mit mangelnder Reformfreude begründet – einmal mehr die tiefe Krise eines Landes, in dem Begriffe wie Verfassung, Gesetz, Mehrheit oder Opposition zu hohlen Phrasen verkommen sind. Und das nicht erst seit den Parlamentswahlen vom März, von denen man nur behaupten kann, dass sie stattgefunden haben. Als Beleg kann die Tatsache dienen, dass die jetzt zusammengeschusterte Parlamentsmehrheit, die den neuen Regierungschef Wiktor Janukowitsch ins Amt hieven soll, weniger als ein Viertel der Wähler repräsentiert, demgegenüber jedoch der Wahlsieger „Unsere Ukraine“ kaltgestellt ist.

Und so hat der jüngste Winkelzug Kutschmas nichts mit Reformpolitik, dafür aber eine Menge mit der Frage nach bloßem Machterhalt zu tun. Knapp zwei Jahre vor den Präsidentschaftswahlen bringen sich die politischen Spieler in Stellung. Kutschma will mit Hilfe der neuen Regierung lediglich die Zeit bis zu seinem präsidialen Ruhestand 2004 überstehen. Seine Kontrahenten, die Oligarchen, werden das zu verhindern suchen. Denn sie, die nicht zufällig über eigene Gruppen auch im Parlament massiv vertreten sind, wollen nur eins: Einen Mann an der Spitze der Staates, der – anders als Kutschma – gewährleistet, dass sie den Staat und die Bevölkerung auch künftig weiter ausplündern können. Auf die Fortsetzung darf man gespannt sein. Der Name der neuen Premiers dürfte dabei jedoch allenfalls als Fußnote in die ukrainische Geschichte eingehen. BARBARA OERTEL

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