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IM-Listen schaden Personenrechten

■ Gericht: Kein öffentliches Interesse an Spitzelauflistung

Naumburg (dpa/taz) – Als eine schwerwiegende Verletzung der allgemeinen Persönlichkeitsrechte hat das Oberlandesgericht Naumburg bei Halle die Veröffentlichung von Stasi-Listen gewertet. Das Gericht lehnte damit am Montag im Prozeß um die unter anderem in Medien erschienenen Hallenser Listen mit den Namen von rund 4.500 angeblichen Inoffiziellen Stasi-Mitarbeitern (IM) zwei Berufungsklagen des Neuen Forums ab. Ohnehin bestehe an den Listen kein öffentliches Interesse mehr, hieß es in der Urteilsbegründung (Az: 4U214/93).

Das Neue Forum Halle sprach von einer politisch falschen Entscheidung, die gleichsam die Stasi- Aufarbeitung untersage. Es seien von beiden Klägern eidesstattliche Aussagen abgegeben worden, keine Kontakte zur Stasi gehabt zu haben. Sie seien aber von der Stasi als IM registriert gewesen. Die Täter blieben somit unbehelligt, während die bestraft würden, die laut die Wahrheit sagten. Mit der Berufungsablehnung bleibt das ursprüngliche Urteil vom 25. November 1993 gültig. Darin wird dem Forum unter Androhung von 500.000 Mark Geldstrafe oder einem halben Jahr Haft die weitere Veröffentlichung der Listen untersagt. Nach Ablehnung der Berufung wird die Frage vor dem Bundesgerichtshof, möglicherweise auch vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt.

Unbekannte hatten im Sommer 1992 in einer einmaligen Aktion an 33 Adressaten in Sachsen-Anhalt, darunter Behörden, Parteien und Medien, eine Liste mit den 4.500 Namen angeblicher IM verschickt. Nachdem die lokale Boulevardpresse im Anschluß einzelne Fälle herausgriff und, wie die Bild-Zeitung, ihren LeserInnen unter dem Titel „Beichtstuhl-Bildredaktion“ offerierte, entschloß sich das Neue Forum, die Listen in ihren Räumen komplett zur Einsicht auszulegen. Wenig später wurde die Liste dann von Bild in voller Länge über etliche Ausgaben publiziert.

18 der Genannten gaben eidesstattliche Erklärungen ab, keine Stasi-Kontakte gehabt zu haben. Sie erzwangen mit einstweiligen Verfügungen die Schwärzung ihrer Namen auf den Listen. Nachdem die Gauck-Behörde in allen Fällen die IM-Registrierung bestätigt hatte, zogen bis auf sechs alle ihre Klagen zurück. Derzeit ist noch eine Klage offen.

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