IG-Metaller Uwe Zabel: Der Mann mit dem Megafon
Uwe Zabel hat die IG Metall Unterelbe auf Vordermann gebracht. Jetzt wechselt er nach Wilhelmshaven und Oldenburg - eine Gegend, in der es aus Gewerkschaftssicht noch viele weiße Flecken gibt. Dort kann man die Kämpfernatur gut gebrauchen.
HAMBURG taz | Uwe Zabel ist ein Ottenser Urgestein. Seit 54 Jahren lebt er fast ohne Unterbrechung im heutigen Szene-Stadtteil im Bezirk Hamburg-Altona, der noch kurz vor der Jahrhundertwende zu Dänemark gehörte. Das "Rote Altona" ist erst 1937 von den Nazis nach "Groß-Hamburg" eingemeindet worden. Für Zabel ist es daher eine Selbstverständlichkeit, dass er privat über eine dänische E-Mail-Adresse verfügt.
"Ich habe nur drei Jahre im Ausland gelebt", sagt Zabel ketzerisch. Damit meint er den benachbarten Stadtteil Hamburg-Eimsbüttel, wo er bis 2007 mit seiner späteren Ehefrau, der Arbeitsrechts-Anwältin Mechthild Garweg, Tür an Tür wohnte.
13 Jahre war Zabel als Bevollmächtigter der IG Metall Unterelbe nah dran an seinen Wurzeln, doch nun zieht es ihn an die Nordseeküste: die Delegiertenversammlungen der IG Metall in Wilhelmshaven und Oldenburg haben ihn zum 1. November zum neuen Bevollmächtigten für insgesamt 21.000 Mitglieder gewählt. Die Position in Doppelfunktion ist vakant geworden, da der bisherige Bevollmächtigte Hartmut Tammen-Henke aus gesundheitlichen Gründen von einem Tag auf den anderen zurücktreten musste.
Er sei von Meinhard Geiken, dem Bezirksleiter der IG Metall-Küste, gefragt worden, ob er die Aufgabe übernehmen könnte, sagt Zabel. Geiken, ehemals IG Metall-Bevollmächtigter von Flensburg, ist als Bezirksleiter selbst neu. Er folgte Jutta Blankau, die im Frühjahr als Stadtentwicklungssenatorin in den Hamburger SPD-Senat berufen wurde. "Meinhard sagte: ,Wir müssen uns neu aufstellen und da habe ich ein Loch'", so Zabel.
Für Uwe Zabel ist die Aufgabe eine "echte Herausforderung": "Ich mag hochgradig verrückt sein, aber es ist auch hochgradig spannend." Die Region Wilhelmshaven-Oldenburg gilt in der neuen IG Metall-Strategie im Norden als "Potenzial-Verwaltungsstelle". Denn einerseits arbeiten nach Gewerkschaftsanalysen in der Gesamtregion inklusive Hamburg und Bremen 67 Prozent aller 150.000 Metallbeschäftigten im Bezirk Küste. Andererseits lässt der Organisationsgrad in Zabels neuem Arbeitsgebiet zu wünschen übrig. "In meiner Region gibt es aus gewerkschaftlicher Sicht viele weiße Flecken", sagt Zabel.
So gebe es Betriebe mit teilweise 2.000 Beschäftigten, die über keinen Betriebsrat verfügten und in denen die IG Metall kaum Mitglieder habe, geschweige denn eine Mitgliederstruktur besitze, berichtet Zabel. Gerade die Windanlagen-Industrie an der Nordseeküste oder den Maschinenbau für ländliche Mastbetriebe sehe die IG Metall als wichtig an. Und an der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg würden die Ingenieure für die Windenergie-Branche ausgebildet, deren Know-how auch aus gewerkschaftlicher Sicht zu mobilisieren sei. Zabel sagt, er finde "das alles sehr reizvoll".
Die Aufgabe ist für ihn auch darum interessant, weil die IG Metall einen Umstrukturierungsprozess von der Stellvertreterpolitik zur "mitgliederorientierten, beteiligungsorientierten und konfliktorientierten Basisgewerkschaft" vollziehen wolle, sagt Zabel. "Ich möchte einfach ausprobieren, ob ich das nochmal hinkriege, was ich an der Unterelbe gemacht habe."
Zabel, der gelernte Feinmechaniker, hatte später nicht umsonst Arbeitsrecht studiert. Mit seiner Hilfe war der Bezirk Küste vor 13 Jahren bundesweiter Vorreiter einer neuen Strategie der betrieblichen Tarifpolitik. Wenn die Arbeitgeberseite Entlassungen oder Produktionsverlagerungen androht, werden die betrieblichen Konflikte nicht mehr nur den Betriebsräten überlassen, die an die geltenden Flächen- oder Manteltarifverträge und damit an die Friedenspflicht gebunden sind. Vielmehr greift die Gewerkschaft selbst über sogenannte "Ergänzungstarifverträge" ein, für die es auch ein Streikrecht gibt. "Als wir 1998 bei Weyburn Bartels in Rellingen für einen Sozialtarifvertrag mit Abfindungen gestreikt haben, waren wir bundesweit die ersten", sagt Zabel.
In den vergangenen Jahren seien über dieses Instrument viele Massenentlassungen im Bezirk Küste abgefedert oder verhindert worden. So habe bei der Wäscherei Berendsen 2002 in Glückstadt die Streikandrohung gereicht, um Massenentlassungen für Jahre zu verhindern. Zabel: "Das nennt man Beschäftigungssicherung."
Inzwischen ist das Mittel des Arbeitskampfs zur Standortsicherung vom Bundesarbeitsgericht als zulässig anerkannt worden - Zabel gehört dem Gremium inzwischen selbst als ehrenamtlicher Richter an und prägt in einer Kammer als Beisitzer Urteile mit. Und auch der Solidaritätsstreik, den er im Konflikt beim Autozulieferer Autoliv um die geplante Schließung von dessen Tochterfirma Norma wirkungsvoll anwandte, hat inzwischen höchstrichterlichen Segen.
Durch seine Mitwirkung an Arbeitskämpfen ist Uwe Zabel auch in der Region Wilhelmshaven und Oldenburg kein ganz Fremder mehr. Beim mehrwöchigen Streik in den Werken des Baumaschinenherstellers Atlas in Delmenhorst, Ganderkesee und Vechta im Herbst vorigen Jahres war er von der IG Metall-Bezirksleitung zur Verstärkung in die Region geschickt worden, um den unberechenbaren Firmenboss Fil Filipov zu bändigen. Um Filipov, der öffentlich gern bekundet, kein Deutsch zu können, lächerlich zu machen, hatte Zabel auf einer Atlas-Streikkundgebung seine Rede vorm Betrieb plötzlich in Englisch gehalten - zur allgemeinen Belustigung der Streikenden.
"Ich nehme es der französischen Arbeiterbewegung immer noch übel, dass sie die Sache nicht konsequent zu Ende geführt haben", sagt Zabel heute sarkastisch. Der bulgarische Manager Filipov war vor Jahren bei Massenentlassungen in einem französischen Betrieb von der Belegschaft als Geisel genommen worden, war dann aber doch freigelassen worden. Zabel, der durch seinen neuen Job auch in Zukunft mit Filipov zu tun haben wird, hat sich entschlossen, auf seinen neuen Schreibtisch eine Büste von Karl Marx zu stellen. "Damit Filipov gleich weiß, woran er ist", sagt Zabel.
Aus dem Atlas-Konflikt wissen viele IG Metaller aus der Region, dass Zabel auch mal ein mürrischer und aufbrausender Kotzbrocken sein kann, wenn etwas nicht klappt oder ihm missfällt. Aber in der Regel gibt sich das nach ein paar Minuten. Und wenn dann beim Arbeitskonflikt für die Betroffenen am Ende etwas Vernünftiges herauskommt, sind solche Ausfälle schnell vergessen.
Auch wenn er jetzt an die Nordseeküste zieht - ganz wird Zabel die Fäden in die Heimat Ottensen nicht kappen. "Ich werde bei einem Freund ein Zimmer in Ottensen behalten", sagt er. Allein schon, wenn er Termine bei der Bezirksleitung in Hamburg hat - oder sich mit alten Weggefährten aus den Gewerkschaften oder der Anti-AKW-Bewegung treffen möchte.
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