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IG METALL WILL MEHR LOHN – DENN LOHNVERZICHT LOHNT SICH NICHTMehr Fasching und weniger Politik

Die IG Metall fordert fünf bis sieben Prozent mehr Lohn; und die Frage, die sich viele Nichtmetallarbeiter heimlich stellen, lautet wie immer: Dürfen die das, moralisch gesehen?

Steigende Arbeitslosenzahlen – und jetzt kommt die Metallgewerkschaft wieder mit ihrem Hochprozentigen. Okay, man kennt das: Am Ende wird der Abschluss deutlich unter der Gewerkschaftsforderung liegen, auch diesmal. Kurz vor der Bundestagswahl dürfte IG-Metall-Chef Klaus Zwickel kein Interesse an einer Eskalation haben. Tarifrunden sind immer auch ein bisschen Fasching, bei der sich die Arbeitgeber vorschriftsmäßig als böse Bosse und die Gewerkschafter als Robin Hood verkleiden. Doch dabei wird um mehr gepokert als nur um Lohn – dabei geht es auch um den moralischen Mehrwert, den die Gewerkschaften noch als Anwalt der Schwachen für sich verbuchen können.

Erscheinen die Gewerkschaften nur noch als Besitzstandswahrer einer Minderheit, die mit hohen Lohnforderungen beispielsweise den Arbeitslosen den Weg verbauen? Oder sind sie die letzten Retter eines materiellen Ausgleichs? Die Koordinaten für eine Bewertung haben sich seit den Lohnabschlüssen vom Jahre 2000 etwas verschoben. Damals wurden moderate Abschlüsse vereinbart, trotzdem schufen die Arbeitgeber kaum neue Jobs. Zusätzliche Beschäftigung hängt eben noch von ein paar anderen Dingen ab als nur den Lohnprozenten – etwa von der internationalen Konjunktur und davon, dass sich qualifizierte Bewerber finden, was angesichts der diagnostizierten Bildungsmisere künftig auch nicht leichter werden wird.

Die Verbindung von Lohnzurückhaltung und Beschäftigungszuwachs hat sich als brüchig erwiesen, deshalb schlagen die Gewerkschaften jetzt wieder mit Tarifforderungen zu und verweisen dabei auch auf die hohen Verbraucherpreise. Aber warum, bitte schön, soll ein Metallunternehmer jetzt auch noch die Folgen der BSE-Krise und der Ölpreissteigerungen ausgleichen müssen?

Der Versuch vom Jahr 2000 ist gescheitert, sowohl die Arbeitgeber als auch die Gewerkschaften zu Anwälten eines gesamtgesellschaftlichen Wohls zu machen, indem man Lohnzurückhaltung fordert und dafür neue Jobs in Aussicht stellt. Die IG Metall ist nicht mehr und nicht weniger als eine Interessenvertretung ihrer Mitglieder; das Gleiche gilt für die Arbeitgeberverbände. Deswegen hat die Gewerkschaft selbstverständlich das Recht, fünf bis sieben Prozent zu fordern. Und deswegen dürfte die kommende Tarifrunde nur wieder der alte Verteilungspoker werden – eine mögliche, darüber hinausgehende politische Relevanz aber ist verloren. BARBARA DRIBBUSCH

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