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I N T E R V I E W „Eindeutige Kongreßregie“

■ „Weltkongreß des internationalen Friedensjahres“ von Kommunisten dirigiert

taz: Eine neue Offenheit wollten sie demonstrieren, die Veranstalter des „Weltfriedenskongresses“ in Kopenhagen. Und so sahen manche Delegierte mit Freude, daß neben den westlichen Friedensbewegungen und den Vertretern der östlichen Regierungen und Komitees auch Oppositionelle aus dem Osten auftreten konnten. Doch bei den grünen „Beobachtern“ in Kopenhagen, Milan Horacek, Uli Fischer und Eva Quistorp wollte keine so rechte Friedensstimmung aufkommen. Warum wart ihr von dem Kongreß enttäuscht? Uli Fischer: Tatsächlich wurden fast alle denkbaren Themen auf diesem Kongreß angesprochen, und auch Oppositionelle aus Osteuropa kamen zu Wort. Doch hat die Kongreßregie es geschickt verstanden, brisante Themen nicht wirklich diskutieren zu lassen. So konnte z.B. der exil–afghanische Professor Batin Shah Safi ein Statement von fünf Minuten abgeben, doch nach ihm traten auf der Rednerliste ein Sudanese, ein Südafrikaner usw. auf. Dieser Themensalat führte dazu, daß kein Thema kontrovers und damit produktiv diskutiert werden konnte. Als der afghanische Professor am Sonnabend in einer anderen Arbeitsgruppe über die Erziehung von Flüchtlingskindern in Pakistan reden wollte, wurde er von Kongreßteilnehmern niedergeschrien. Obwohl das Podium den Sprecher ausreden ließ, weigerten sich die aus dem Ostblock stammenden Simultanübersetzer, ihre Arbeit zu tun. Sie meinten, der „Mann rede am Thema vorbei“. Heftige Proteste von seiten Milan Horaceks hatten kein Erfolg. Immerhin erscheint mir das Auftreten von östlichen Oppositionellen in einer von Kommunisten dominierten Veranstaltung bemerkenswert... Da muß man etwas genauer hinsehen. Schon das Gerangel um die Einladungen macht die Regie im Hintergrund deutlich. Jeder Friedensfreund hat Zutritt, hieß es, doch als es daran ging, Vertreter von Charta 77 oder andere Oppositionelle einzuladen, schob man das Konsensprinzip vor. Also durften sie nicht offiziell nach Kopenhagen kommen. Auch die DDR weigerte sich, Pfarrer Eppelmann aus der unabhängigen Friedensbewegung ausreis die dänischen Behörden kurzerhand das Visum. Erst den Protesten der niederländischen Regierung und dem Angebot von „Pax Christi“, den Afghanen in ihre Delegation aufzunehmen, ist es zu verdanken, daß der Mann einreisen konnte. Wer nicht in das politische Bild paßte, dessen Teilnahme wurde mit technischen Gründen verhindert, wie im Falle einiger Ukrainer. Wir Grüne hingegen, die wir offensichtlich umworben sind, konnten ohne Voranmeldung problemlos den Kongreß beobachten. Das Ganze erinnert an die Gorbatschowsche Öffnung: nach außen offen und im Hintergrund den Daumen drauf. Die sozialistischen und christlichen Mitveranstalter haben sich offensichtlich von den Kommunisten über den Tisch ziehen lassen. Das Gespräch führte Erich Rathfelder

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