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Hype um DJ Alexander MarcusSchlager in den Magen

Kommentar von Arno Frank

So schlecht, dass es schon wieder schlecht ist: Als "Alexander Marcus" macht ein Berliner DJ Furore. Mit platten Beats und Refrains wie "Hussa, hussa, hussasa"

Aua: Alexander Markus. Bild: screenshot youtube

A ngeblich soll es ja Dinge geben, die so schlecht sind, dass sie "schon wieder gut sind". Trash eben, Müll also, den lustig finden mag, wer will. Sicherlich aber gibt es nach wie vor kulturelle Phänomene, die so schlecht sind, dass sie einfach schlecht sind. Wie Alexander Marcus, dessen Album "Electrocore" am Freitag erschienen ist. Darauf verbinden sich aufs Hässlichste fiese Schlagertexte ("1, 2, 3 / oh du wunderschöne Lorelei / endlich gehts nach vorne / Schwarz, Rot, Gold / das sind unsere Farben / Der Wagen rollt" etc.) und schmieriger Schlagergestus (Haare nach hinten gegelt, Bartflaum, rosa Pullover, weiße Slipper) mit technoid-elektronischer Produktion, wie man sie, tja, inzwischen auch schon aus der "heilen" Parallelwelt des Schlagers kennt.

Hinter dem banalen Pseudonym verbirgt sich der findige Berliner Techno-DJ Felix Rennefeld, als "Alexander Marcus" erwirbt er sich derzeit vor allem dank dümmlicher Internetvideos das, was manche Kritiker bereitwillig "Kultstatus" nennen: "Komm, wir tanzen und haun uns auf die Knie / mach mal lauter, jetzt kommt unsre Melodie". Der Spiegel nennt die Beats zu diesen Wegwerfmelodien aus dem Altenheim "amtlich", das sonst so soziokulturell interessierte Pop-Zentralorgan Spex dagegen "ranzig".

Tatsächlich muss, wer den Witz begreifen und den Schmerz wirklich fühlen will, gesehen haben, wie Alexander Marcus seine scheußlichen Schunkelhymnen zum Vortrag bringt: mit einem ganz besonders gruseligen, ausgesprochen aasigen Dauergrinsen nämlich, wie man es vielleicht noch aus den bedrohlichen Videos eines Aphex Twin kennt. Es handelt sich um exakt das gleiche sardonische Lächeln, mit dem man im antiken Sardinien die Alten totgeschlagen hat - und mit dem noch heute beim "Frühlingsfest der Volksmusik" oder im "Musikantenstadl" den sogenannten Senioren akustische Sterbehilfe gewährt wird. Wer so unbedingt lächelt, lügt.

Nun ist der "volkstümliche Schlager" ein Produkt, dessen Attraktivität streng auf die Zielgruppe der Debilen und Dementen beschränkt bleibt. Alexander Marcus dagegen schafft mit der bewährten Brechstange der ironischen Distinktion einen Spagat, der Generationen übergreift und Enkel (Techno! Ironie!) ebenso anspricht wie deren Großeltern (Schlager! Heimat!) - unter Auslassung der Eltern, denen nichts supekter sein könnte als Begriffe wie Techno, Ironie, Schlager oder Heimat.

Alexander Marcus ist so schlecht, dass er schon ziemlich schlau sein muss.

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Inlandskorrespondent

11 Kommentare

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  • UG
    Ulrich Gerhard Osterloh

    Das Grinsen von Alexander Marcus ist ja wohl ganz klar ein ironisches 'Zitat', das er aus der deutschen Schlagerszene (oder vlt. ihrem pondont, der Country Szene in den USA) entnimmt, und welches er einfach mit eingebaut hat in ein sehr postmodernes Image, in dem übrigens alles mögliche zitiert wird, inklusive Michael Jackson.... - was soll dieser ganze heavy stuff über 'Lügner' oder gar 'Mörder von alten Menschen im antiken Sizilien' ('sardonisches Lächeln' bezieht sich übr. auf die Opfer - ! -, die unter tetanusartigen Krämpfen durch Gift starben, und nicht die Täter, aber egal, der Vergleich hinkt ohnehin total)..."Alexander Marcus, pünktchen pünktchen pünktchen Totschlagen der Alten in der Antike" - das ist wirklich der Hammer....... Da fehlt in diesem gar-nix-capito Artikel im Grunde echt nur noch der 'kunstvoll' geschlagene Bogen irgendwie hin zu Majdanek etc, wie das ja so gerne in Deutschland getan wird, um eine abstruse, selbst-verliebte Theorie mit pseudo 'Tiefe' fein abzuschmecken.... Was mich auch wirklich abstößt ist diese pauschale Verurteilung von Menschen, die deutschen Schlager mögen. Es sind also nur 'Debile' und 'Demente' die den Schlager mögen, mit herzlichem Gruß an die wirklich sehr kranken Menschen, die der Autor anscheinend passend genug findet, um sie als Schimpfwort zu benutzen.... Warum schreibt der Autor nicht gleich, Schlager sei nur für "Spa*tis", das läuft doch auf's Selbe hinaus - ätzend gefühllose Wortwahl, wirklich.... Und, die Wahrheit ist, wie immer, viel komplexer, als es durch die Burka der eigenen Beschränktheit gesehen erscheint, es gibt sehr wohl sehr viele Menschen die Schlager hören, ohne gleich 'dement' zu sein... Sie hören halt gerne das auf deutsch, was auf englisch jetzt ja soooooo anders und so viel besser sein soll, es aber de facto nicht ist, oft auch musikalisch nicht... Die Beatles z.B. haben, finde ich, ganz furchtbare 'Schlager' texte und Melodien, und dasselbe gilt für sehr viele bands und acts auch aus der heutigen Zeit.....Man muß sich einfach nur mal vorstellen, das Ding würde Wort für Wort so auf deutsch gesungen, und da hast du deinen 'coolen' Hit, der einfach nur ein deutscher Schlager auf Englisch ist. Und oft ist dann die wahnsinnig tolle Melodie dazu auch plötzlich alles andere als toll, sie ist oft viel banaler als man dachte.... Die GANZE Welt lebt, zumindest hin und wieder mal, für diese Art von Musik und seichter Unterhaltung, und Alexander Marcus scheint das nicht nur begriffen und akzeptiert zu haben, sondern er fügt dem ganzen auch ein Augenzwinkern hinzu, so als wäre es schon ganz okay, einfach mal nur zu leben, zu lachen und zu feiern.... Wirklich nur 'ironisch' ist er daher eben auch nicht.... er passt halt in keine Schublade, und das erzeugt, gerade in diesem Land, immer den allergrößten Widerwillen; leider aber auch die Gelegenheit für so manche 'Intellektuelle', ihr gesammeltes 'Wissen' einzusetzen im heroischen Kampf gegen diese 'debilen' Ausgeburten.

  • H
    Hagen

    Das ist wieder mal ganz großer Journalismus. Da kann ich nur gratulieren.

  • I
    Ingo

    Pff..

    Beuys sagte "was Widerstand leistet ist Kunst".

    Das war nicht schlecht. Das Kunst nicht gefallen muß, und nicht jeder kapiert ist nach meinem dafürhalten gut und unumgänglich (is eben nich jeder ein guter Künstler :)

     

    Danke

  • A
    Annika

    Was ist daran bitte Kunst? Und wo bitte lebe ich, wenn so einer auch noch hochgejubelt wird? Anscheinend ist Intelligenz hierzulande rarer gesät als ich dachte.

  • SD
    supermann deralleskann

    genau solche typen wie du checken einfach nicht worum es bei dieser art von musik geht! es muss nicht immer alles eine zum nachdenken anregende message haben damit man spaß daran hat und darum geht es bei dieser ganzen sache nunmal - spaß haben! wenn du jemand bist der sich lieber mit erstenren themen beschäftigt dann tu das auch aber nerv nicht

  • D
    dave

    Auf was für ner Seite bin ich hier gelandet? Ist das hier normal, dass der Artikelersteller dem Konsumenten verbieten möchte, ein eigenes Urteil über den KÜNSTLER zu fällen? Wie Horst sagt: niveau. - wo?

  • B
    bambuhle

    Kunst wird nicht durch den Erschaffer als solche definiert sondern durch die Betrachter. Wenn dieser Musiker in seine unglaublich sukzessiven Mimiken und Gebärden weiter eintaucht bis der Schmalz aus ihm tropft, sehe ich momentan keinen erfrischenderen Musiker in der doch so tristen heutigen Musikbranche. Hier sei erwähnt dass mich seine Musik nicht anspricht aber seine Figur mit den Atributen (Atlas- "dauer Grinsen" Karnevalsverkleidung) die ihm einen nebulösen Charakter verleihen. Die Disskusion über seine Texte verstehe ich einfach nicht, scheinbar können viele kein Englisch, dann wüssten sie was ihnen Tag täglich für ein Schund um die Ohren gejault wird. Ich will und kann es einfach nciht akzeptieren dass ein kleiner junge nicht -schwarz-rot-gold-lalal singen kann ohne beäugt zu werden aber von lasziven "musikerinnen" die eigentlich nix anderes machen als ihren Körper zur Schau zu stellen und sinnlose Texte jaulen jeden tag unkommentiert beschallt werden darf. Und ich rede nicht von Pseudogangstern sondern von hirnlosen Liebeschnulze oder Sexschnulzen wie zB Catterfield/Rihanna. Schlimm dabei ist das junge Mädchen sich solche "Künstlerinnen" als Vorbild nehmen und meinen in den gesellschafftlichen künstlerischen Prozes durch Schönheit und stupiden nachsingen eingreifen zu können. Das ist keine Kunst. Alexander Markus, ob man es will oder nicht ist Kunst. In der Verbindung von Optik und Akustik. -entschuldigen sie die Rechtschreibung-

  • H
    Horst

    Etwas mehr Objektivität und Hintergrundinfos würden das Niveau des Artikels eklatant doch sehr verbessern.

  • AM
    Alexandra Martin

    der autor ist ein verklemmter miesmacher

  • S
    sakki

    mensch Arno, nicht so böse! Also ich finds auch sehr lustig ... meld dich doch mal, du Sack!

  • MA
    Markus Alexander

    Der Titel des Albums ist "Electrolore", nicht "Electrocore". Wobei der Sound ja durchaus hardcore ist.