Hungerstreikende HDP-Abgeordnete: In kritischem Zustand
In der Türkei soll Leyla Güven im Sterben liegen. Sie protestiert mit Essensverweigerung gegen die Isolationshaft von PKK-Gründer Öcalan.
Istanbul taz | Die Abgeordnete der kurdischen linken HDP, Leyla Güven, die seit Anfang November aus Protest gegen die Isolationshaft des PKK-Gründers Abdullah Öcalan jede Nahrungsaufnahme ablehnt, liegt nach Angaben aus Parteikreisen im Sterben. Die 55-jährige Güven wurde, nachdem ihr Blutdruck dramatisch gefallen war, am Mittwoch in Diyarbakır in ein Krankenhaus eingeliefert. Sie verweigerte aber eine Behandlung und kehrte noch am Abend per Krankenwagen in ihre Wohnung zurück.
Die HDP-Abgeordnete war im Frühjahr 2018 verhaftet und ins Gefängnis gesteckt worden, weil sie massiv gegen den Einmarsch der türkischen Armee in den syrisch-kurdischen Kanton Afrin protestiert hatte. Am 8. November begann sie ohne Absprache mit ihrer Partei einen Hungerstreik mit dem Ziel, dass die türkische Regierung die Isolation Abdullah Öcalans beendet und wieder Besuche seiner Anwälte und Familienangehörigen zulässt. Dem Hungerstreik schlossen sich nach Angaben der HDP knapp 300 weitere Häftlinge an.
Mitte Januar erlaubte daraufhin der zuständige Richter erstmals seit zwei Jahren einen Besuch von Öcalans Bruder Mehmet auf der Gefängnisinsel İmralı. Mehmet Öcalan durfte seinen Bruder 15 Minuten sehen und berichtete anschließend, dem heute 69-Jährigen gehe es gesundheitlich gut. Öcalan wurde genau vor 20 Jahren am 15. Februar 1999 in Kenia verhaftet und wird seitdem auf der Gefängnisinsel Imrali im Marmarameer festgehalten.
Leyla Güven reichte das nicht. Sie kündigte an, ihren Hungerstreik fortzusetzen, bis die Justiz wieder regelmäßige Besuche zulasse. Kurz darauf wurde sie, bereits völlig geschwächt, aus dem Gefängnis entlassen, nimmt aber weiterhin keine Nahrung zu sich. Außer Leyla Güven sind nach Angaben der HDP-Co-Vorsitzenden Pervin Buldan noch weitere 239 Gefangene im Hungerstreik.
HDP hofft auf Befreiungsschlag bei Kommunalwahlen
Perivan Buldan und Sezai Temelli, die beiden derzeitigen Vorsitzenden der HDP, forderten bei einer Pressekonferenz die türkische Regierung noch einmal nachdrücklich auf, die Isolation Öcalans zu beenden. Nur so, hieß es am Rande der Konferenz, könne Leyla Güven noch gerettet werden.
Eigentlich wollten die beiden HDP-Ko-Vorsitzenden am Donnerstag Fragen zu den im März bevorstehenden Kommunalwahlen beantworten. Die Partei, die seit der Verhaftung ihrer damaligen Führung Ende 2016 massiv unter Druck steht, hofft, bei den Wahlen einen demokratischen Befreiungsschlag landen zu können. Insbesondere in den kurdischen Städten im Südosten des Landes hofft die HDP auf gute Ergebnisse.
Viele HDP-Bürgermeister sind in den letzten Jahres verhaftet und durch staatlich eingesetzte Treuhänder ersetzt worden. Im Westen der Türkei will die HDP dagegen in vielen Großstädten, insbesondere in Istanbul, Izmir Mersin und Antalya durch den Verzicht auf eigene Kandidaten die Chancen der sozialdemokratisch-kemalistischen Opposition gegen die Allianz von Erdogans AKP und der rechtsextremen MHP erhöhen.
Leser*innenkommentare
mowgli
Was das wohl soll? Sieht aus, als hätten Leyla Güven und ihre 239 Mitstreiter endgültig aufgegeben. Vielleicht ist ihnen unter Erdogans Knute aber auch jeglicher Realitätssinn abhanden gekommen. Wenn nicht schon lange vorher.
Erdogan wird nie nachgeben. Menschenleben zählen nicht für diesen Mann. Wenn er könnte, würde er jeden einzelnen Kurden, der kein Türke werden will, eigenhändig mit einer zusammengerollten Zeitung erschlagen. Sich einzubilden, man könnte diesem Typen ein schlechtes Gewissen verursachen, wenn man sich umbringt, ist albern. Und auf eine internationale Öffentlichkeit zu hoffen, die aus Mitleid einen machtgeilen Staatschef niederdemonstriert, ist auch nicht viel vernünftiger.
So eine Öffentlichkeit gibt es (noch) nicht. Und wenn es sie gäbe, hätte sie viel zu tun. Auch dringenderes. Für mich ist klar: Wenn Leyla Güven stirbt, wird sie gar nichts erreichen. Außer vielleicht, dass sie schnellstens vergessen wird. Ihr Tod wird völlig umsonst gewesen sein. Schlimmer noch: Er wird Erdogan zusätzliche Macht geben. Denn wer soll die Kurden in der Türkei noch organisieren, wenn ihre Anführer sich selber ins Nirwana abberufen? Wer soll der Welt erzählen, wie es so zugeht in den Gefängnissen des großen Führers Erdogan? Und wer sollte den Traum von Freiheit wach halten?
Es tut mir wirklich leid um diese mutige Frau. Aber Mut ohne Vernunft ist nichts, wofür ich mich begeistern kann. Ich will nicht mit leiden mit Leyla Güven. Ich möchte lieber noch erleben, dass Erdogan da landet, wo alle seine Vorgänger gelandet sind. Denn ich habe ein sehr großes Herz. Da passt nicht nur eine einzelne HDP-Funktionärin rein. Da drin ist Platz für 82 Millionen Türken - eine Hand voll Idioten vielleicht ausgenommen.
Wobei - ganz freiwillig ist sicher nicht mal Erdogan zum A... äh: Unmenschen mutiert.