: Hungern und Hoffen im Süden Afrikas
Mosambik wird am Wochenende das Mehrparteiensystem beschließen, Angolas Bürgerkriegsparteien beginnen am Dienstag neue Gespräche/ Perestroika allein kann jedoch den Hunger nicht stillen ■ Aus Johannesburg Tim Murphy
Die Tragödie der ehemaligen Kolonien Portugals im südlichen Afrika, Angola an der Atlantikküste und Mosambik am Indischen Ozean, verläuft in vieler Hinsicht parallel. Während die beiden linken Regierungen sich an ihrer Perestroika versuchen und Verhandlungen mit ihren Widersachern begonnen haben, drohen Hungerkatastrophen die Zahl der über eine Million Kriegsopfer weiter in die Höhe zu treiben.
Am kommenden Dienstag wollen sich die angolanischen Kriegsgegner erneut in der Nähe von Lissabon zusammensetzen, nachdem das Zentralkomitee der regierenden MPLA vorige Woche die Einführung des Mehrparteiensystems für Anfang kommenden Jahres beschlossen hat. Bereits viermal haben sich die Unterhändler in diesem Jahr getroffen. Der Krieg in Angola hat mindestens 340.000 Todesopfer gekostet. Die Organisation freier Wahlen, so schätzt Präsident José Eduardo Dos Santos, werde mindestens drei Jahre in Anspruch nehmen.
Die gegen Angolas MPLA-Regierung kämpfende Unita genießt noch immer die Unterstützung der USA. Für 1991 sind wieder 60 Millionen Dollar Finanzhilfe im Haushalt der CIA vorgesehen, zum wachsenden Entsetzen der Regierung, die auf schwindende Unterstützung der Sowjetunion angewiesen ist. Der US-Kongreß hat im Oktober jedoch beschlossen, die Unita-Unterstützung sofort zu kürzen, wenn Angolas Regierung einem Waffenstillstand und international überwachten freien Wahlen zustimmt. Mit der Unabhängigkeit des südlichen Nachbarn Namibia hat immerhin Südafrika seinen unerklärten Krieg in Angola beendet, und auch die kubanischen Truppen, die auf seiten der MPLA kämpften, sind inzwischen abgezogen.
Sowohl dieser Krieg wie auch der in Mosambik währen seit 1975, als sich in Portugal die „Nelken-Revolution“ ereignete und das Land hastig sein koloniales Erbe abstieß. Linke Befreiungsbewegungen, die bereits einige Zeit für die Unabhängigkeit gekämpft hatten, übernahmen Angola und Mosambik. Rivalisierende Gruppen nahmen mit ausländischer Waffenhilfe den Kampf gegen die neuen Herrscher auf.
Die Wirtschaft beider Staaten ist zerrüttet, Fabriken sind zerbombt, Felder verödet und die Straßen vermint. Auch die brüderliche Hilfe Osteuropas, die sich neben Waffenlieferungen auch in der Entsendung von Tausenden Experten niederschlug, die riesige Staatsbetriebe und -farmen schufen, hat der Ökonomie wenig gute Dienste geleistet. In beiden Ländern droht nun außerdem erneut eine Hungerkatastrophe.
Unter der Flagge des Roten Kreuzes wurde in dieser Woche der zweite Nahrungsmittelkonvoi von Namibia aus nach Angola auf den Weg gebracht. 180 Tonnen Nahrungsmittel auf sechs Lastern sollen im Unita-beherrschten Südosten des Landes helfen. Im Süden Angolas, sagt Rotkreuz-Delegationschef Nicolas de Rougemont, seien „einige Menschen Opfer des Krieges, einige Opfer von Krieg und Trockenheit, andere nur von Trockenheit“. Mindestens 120.000 seien bis zur Ernte im Januar auf Hilfe angewiesen. Das Geld für die Rotkreuz-Aktion stammt von der EG und der Schweizer Regierung.
Am gestrigen Freitag sollte auch ein Nothilfekonvoi der UNO vom angolanischen Hafen Lobito aus mit Nahrungsmitteln und Medizin ins zentrale Hochland aufbrechen, nachdem Unita-Rebellen zunächst die Passage verweigert hatten. Der Transport ist Auftakt einer 75-Millionen-Dollar-Operation, die schätzungsweise 1,8 Millionen Angolaner vor dem Verhungern retten soll.
Ähnlich dramatisch ist die Lage in Mosambik, wo normale Landwirtschaft durch den Bandenkrieg der rechtsgerichteten Renamo in vielen Provinzen seit Jahren unmöglich ist. Militärische Teilerfolge der regierenden Frelimo haben das Versorgungsproblem in den letzten Monaten noch verschärft. Denn die Regierungstruppen sind zu schwach, zurückerobertes Terrain zu halten und evakuieren es lieber mitsamt Bewohnern, damit diese nicht erneut in die Hand der Renamo fallen. Die „recuperados“ lassen die Lager der Hungernden und Flüchtenden drastisch anschwellen. Das im April aufgelegte, ebenfalls von der UNO geförderte Nothilfeprogramm rechnete mit 429.000 Bedürftigen. Inzwischen jedoch wird deren Zahl allein in der Provinz Zambezia auf 900.000 geschätzt.
Die Regierungsoffensive, mit tatkräftiger Hilfe von Eliteeinheiten des befreundeten Nachbarn Simbabwe durchgeführt, diente der Renamo- Guerilla vor kurzem als Vorwand, einen erneuten Gesprächsversuch abzusagen. Nach 15 Jahren verheerenden Bürgerkriegs, der das Leben von mindestens 600.000 Menschen gekostet hat und Abermillionen Flüchtlinge, Waisenkinder und Krüppel hervorbrachte, trafen sich die verfeindeten Parteien erstmals im Sommer. An diesem Wochenende wird auch die Regierung Mosambiks die legalen Voraussetzungen für eine Mehrparteiendemokratie schaffen. Doch eine Friedensregelung mit der Renamo-Guerilla, einst vom weißen Geheimdienst des ehemaligen Rhodesien gegründet und danach jahrelang von Südafrika unterstützt, scheint noch in weiter Ferne. Renamo hat deutlich weniger politisches Profil als die Unita des Angolaners Jonas Savimbi. Viele Beobachter vergleichen sie mit den plündernden Banditenarmeen des Dreißigjährigen Krieges.
Fünf ostdeutsche Hilfsorganisationen haben sich zur „Hungerhilfe Angola“ zusammengeschlossen und erbeten Spenden unter folgenden Konten: Kto. 6836-26-444 der Stiftung Solidaritätsdienst international bei der Staatsbank Berlin (BLZ 12016836); Kto. 6651-39-183 des Ökumenisch-Missionarischen Zentrums (Code 10911190) bei der Stadtbank Berlin AG; Kto. 4380592201 der Deutsch-Afrikanischen Gesellschaft bei der Berliner Stadtbank (BLZ 12020500).
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