Hungerhilfe für Horn von Afrika: Niebel überrascht die Helfer
Das UN-Welternährungsprogramm WFP wartet auf Klarheit, nachdem Bundesentwicklungsminister Niebel die deutsche Hungerhilfe kurzerhand vervierfacht hat.
BERLIN taz | Kenia entwickelt sich zu einem schwarz-gelben Lieblingsreiseziel in Afrika. Im Juli kam Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU); jetzt ist Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) da. Der Besuch, der gestern mit einer Visite im riesigen Flüchtlingslager Dadaab nahe der somalischen Grenze zu Ende ging, bot die Kulisse für die lange überfällige Erhöhung der deutschen Hilfe für die über 12 Millionen vom Hunger bedrohten Menschen am Horn von Afrika: 118 Millionen Euro zusätzlich zu den bisherigen 33,5 Millionen, verkündete Niebel am Montag in der Hauptstadt Nairobi bei einem Treffen mit Staatschef Mwai Kibaki.
"Endlich!", kommentiert der grüne Bundestagsabgeordnete Thilo Hoppe, einer der schärfsten Kritiker Niebels.
Die UNO hat um insgesamt 2,4 Milliarden Dollar (rund 1,7 Milliarden Euro) für Hungerhilfe am Horn von Afrika gebeten, davon rund eine Milliarde für Somalia. Von beiden Summen ist bisher rund die Hälfte vorhanden.
"Wir wissen noch gar nicht, wie viel an WFP geht"
Doch insgesamt trifft die neue Hilfszusage die Helfer unvorbereitet. Laut dem UN-Welternährungsprogramm WFP, größte Hilfsorganisation in der Region, gab es keine vorherige Absprache.
"Wir wissen noch gar nicht, wie viel an WFP geht und wie viel für längerfristige Hilfe ist", sagt Katharina Weltecke, Sprecherin des WFP-Büros in Berlin.
Parallel zu Niebels Reise startet das Hilfswerk "Luftfahrt ohne Grenzen" die bisher größte Luftbrücke von Deutschland aus. 90 Tonnen Medikamente, Zelte und angereicherte Nahrung werden nach Angaben des "International Medical Corps", der die Hilfe in Kenia verteilen soll, ab Mittwoch aus Deutschland losfliegen.
Flüge aus Europa nach Afrika sind die medienwirksamste, aber finanziell ineffizienteste Art der Hilfe für Hungernde vor Ort. Außerdem warnen Helfer, mit immer mehr Hilfsgütern für die somalischen Flüchtlingslager in Äthiopien und Kenia verstärke man den Anreiz für Menschen, Somalia zu verlassen und sich in international versorgte Lager im Ausland zu begeben. Dies verstärkt Spannungen mit der jeweiligen lokalen Bevölkerung.
In Dadaab sowie in benachbarten Lagern leben insgesamt 375.000 Menschen. 300.000 davon waren schon lange vor der aktuellen Hungersnot geflohen; der tatsächliche Bedarf an Nothilfe für Neuankömmlinge ist damit relativ überschaubar. Mehr Hilfsgüter als bisher sollten jetzt über somalische Häfen nach Somalia selbst gebracht werden, erklärt das UN-Logistikzentrum.
Der Zugang zu Hilfsbedürftigen innerhalb Südsomalias, wo Ablehnung seitens der islamistischen Shabaab-Milizen die Hilfe erschwert, habe sich deutlich verbessert.
In die eigene Tasche
Das alte Problem, dass Hilfe im Regierungsgebiet in großen Mengen veruntreut wird, ist allerdings offenbar nicht überwunden, trotz gegenteiliger früherer UN-Angaben.
Nach Recherchen der Nachrichtenagentur AP verschwindet nach wie vor bis zur Hälfte der WFP-Nahrungsmittelhilfe in der somalischen Hauptstadt Mogadischu, weil Geschäftsleute, mit denen WFP zusammenarbeitet, die Güter abzweigen und auf den Märkten verkaufen.
Von "Tausenden Säcken mit Lebensmittelhilfe" ist die Rede. Es komme sogar vor, dass Hungernden in Flüchtlingslagern ihre Rationen wieder abgenommen werden, nachdem die Helfer und Journalisten das Lager verlassen haben. WFP-Sprecherin Weltecke sagt dazu, die Berichte würden geprüft.
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