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Humboldt Forum nimmt Betrieb aufEin Anlass zum Fremdschämen

Brigitte Werneburg
Kommentar von Brigitte Werneburg

Das Humboldt Forum ist endlich offen fürs Publikum und lockt mit gleich sechs Ausstellungen. Kein Grund zum Feiern, meint unsere Kommentatorin.

Jetzt aber rein in den Kasten: das Humboldt Forum hat geöffnet und wird Tou­ris­t:in­nen anziehen Foto: dpa/Wolfgang Kumm

E inerseits stimmt es ja, dass schon alles gesagt ist, nur nicht von jedem und noch nicht auf diesem Platz. Andererseits kann bei diesem Thema eine gewisse Redundanz nicht schaden. Das Humboldt Forum ist Mist. Statt Grund zum Feiern, jetzt wo es in dieser Woche endlich in Betrieb geht, ist es Anlass zum Fremdschämen.

Seit Neuestem will es ja ein Forum zur kritischen Auseinandersetzung mit dem deutschen Kolonialismus sein, mit dem das verantwortliche politische Personal und die Museumsleute die längste Zeit keinerlei Problem hatten.

Lustigerweise ist just der Ort, für den das Humboldt Forum erfunden werden musste, an den ganzen Schwierigkeiten schuld. Die restaurative Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses ist selbst ein Akt des Kolonialismus. Denn dem Wunsch, die preußische Zwingburg samt späterer barocker Erweiterung wiederzuhaben, war ja der Wunsch vorausgegangen, den Palast der Republik, die swingende Zwingburg des Staats­so­zia­lis­mus, abzureißen.

Sinn und Zweck des rekonstruierten Schlosses lag darin, Symbol des Triumphs im Systemwettbewerb zu sein. Nur füllt die Politik des Wir-sind-die-Sieger-und-haben-jetzt-das-Sagen leider kein Haus. Und da keine Parkgarage rein durfte, musste Kultur rein.

Ein weiteres Mal ein Siegersymbol

Zum Beispiel die Ethnologischen Sammlungen, die im schönen Dahlem ein beschauliches Leben führten. Als beim Umzug auffiel, dass mit dem Prachtstücken der Sammlung nicht alles koscher ist, musste das niemanden wundern. Es musste schon deshalb auffallen, weil über den Sammlungen plötzlich ein goldenes Kreuz prangt – und damit man ja versteht, dass es sich dabei ein weiteres Mal um ein Siegersymbol handelt – samt umlaufenden, vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. verfassten Spruchband, das die Unterwerfung aller Menschen (und auch aller Toten!) unter das Christentum fordert.

Wachen Leuten fiel da notwendigerweise auf, dass auch das christliche Preußen mit Sklaven gehandelt hatte, bevor es sich als Deutsches Kaiserreich entschloss, Kolonialmacht zu werden, welchem Umstand die Sammlungen einen großen Teil ihrer Schätze verdanken.

Tja, wer sich anmaßt, selbst über die Toten noch zu herrschen, muss sich nicht wundern, wenn sie sich gegen ihn erheben. Er sieht auch keine Gespenster, sondern ihre Nachfahren, die nicht nur ihre Schädel zurückfordern, sondern auch Prachtstücke wie die Benin-Bronzen.

Braucht’s dafür ein Schloss?

Meine Güte, was hätte da Lebendiges entstehen können, an diesem Ort. Was war da schon Lebendiges entstanden an diesem Ort, bevor die Abrissbagger kamen.

Meine Güte, was hätte da Lebendiges entstehen können, an diesem Ort

Was am Humboldt Forum funktionieren wird, das lässt sich leicht voraussagen, ist das Café. Weil es das in dieser toten Ecke von Berlin ganz dringend braucht. Aber um ein Café zu haben, braucht’s dafür ein Schloss?

Insofern kann man nur die Coalition of Cultural Workers Against the Humboldt Forum unterstützen, die den blöden Kasten einfach abreißen wollen. Und wüsste man nicht, dass der Wiederaufbau des Palastes der Republik dieselbe dumme Nostalgie evozieren und in derselben eitlen Selbstfeier enden würde, an der das Humboldt Forum gerade scheitert, müsste man unbedingt dem Förderverein Palast der Republik beitreten.

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Brigitte Werneburg
war Filmredakteurin, Ressortleiterin der Kultur und zuletzt lange Jahre Kunstredakteurin der taz. Seit 2022 als freie Journalistin und Autorin tätig. Themen Kunst, Film, Design, Architektur, Mode, Kulturpolitik.
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6 Kommentare

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  • Gut gebrüllt, Löwin!

  • Sehr geehrte Frau Werneburg,

    vielen Dank für diese Zusammenfassung. Das Projekt nenne ch bewusst despektierlich das "Humbug Forum in der Hohenzollernschlossattrappe".

    Dieses Vorhaben beweist wie wörtlich inhaltsleer das Kulturverständnis dieser BRD ist. Nostalgisch beseelt wurden Experten in einer Gruppe gewonnen. um den Wiederaufbau formalistisch gutzuheißen. Dann suchte man einer Nutzung.

    Als Peter-Klaus Schuster und Klaus-Dieter Lehmann mit der Idee der "weltoffenen" BRD kamen, in dem die maroden Dahlemer Bauten verlassen und das neue Gebäude auf der Museumsinsel mit der Ethnologischen Sammlung gefüllt werden konnte, da waren alle Befürworter des Humbug Forums glücklich, ohne zu wissen, dass die Kolonialismus-Debatte ihnen einen weiteren, unangenehmen Spiegel vorstellen sollte.

    Die "Weltoffenheit" im Inneren sollte die reaktionäre Symbolik der Attrappe samt militaristischem Triumphbogen, universalistischer evangelisierender Christenkuppel mit Kreuz und unterthänigsten Bibeldiktat relativieren.

    Pustekuchen!

    Was nun offenbart wurde ist genau der dreifache Kolonialismus: wiederholte Siegermentalität demonstriert durch den Abriss des Palasts der Republik, evangelikale Restauration, und offen zur Schau gestellter Kulturkolonialismus durch die Ethnologische Sammlung.

    Das Gute an der Initiative zur Wiedererrictung des Palasts der Republik ist, dass sie durch die nächsten, jüngeren Generationen betrieben wird, denen dieser explizite Ausdruck des reaktionären Neo-Kolonialismus ungeheuer und beschämend ist.

    Fazit: Die Attrappe muss weg.

    • 9G
      97287 (Profil gelöscht)
      @Wilfried Wang:

      Das ist doch Blödsinn, auf den Inhalt kommt es an. Anstatt immer vom kaputtschlagen zu reden, sollte man an diesem Ort für die richtigen Inhalte demonstrieren. Anstatt Abriss, besetzt doch das Humboldt- Forum. Anstatt in Ostalgie zu verfallen und von einer erneuten Diktatur des Proleteriats zu träumen, träumt von einer gerechten Zukunft und erinnert Euch an die Schrecken der Vergangenheit und Kuratoren die entsprechenden Ausstellungen. Aber mehr als etwas Lebendiges, Spassbad, Zone zum chillen und raven scheint nicht in Sicht.

  • Es ist in der Tat alles gesagt: geschichtspolitische Siegerpose im Disney-Stil usw. Auch der Neobarock ist scheußlich. Ich stolpere bei den Beiträgen zum Humboldt-Forum aber immer wieder über Aussagen wie: "...deutschen Kolonialismus sein, mit dem das verantwortliche politische Personal und die Museumsleute die längste Zeit keinerlei Problem hatten." Ist das wirklich so? Mir kommt es wie eine Unterstellung vor. Ja, da wird die Angst um die Bestände sein, die Kurator*innen vielleicht umtreibt, um die Zukunft einer - sicherlich oft - konservativ verstandenen Museumsarbeit usw. Kann und soll man alles kritisieren, aber ist es wirklich gerechtfertigt, daraus eine affirmative Haltung zum Unterdrückungssystem des Kolonialismus abzuleiten?

  • ....Meine Güte, was hätte da Lebendiges entstehen können, an diesem Ort..



    Zusätzlich!

    Ein Flußbad! Lachen, kichern, lieben!(Mit Fahrstuhl runter(hoch))

    Was war da schon Lebendiges entstanden an diesem Ort, bevor die Abrissbagger kamen.



    Lebendig.?



    Gut, ich gehe mal davon aus, das die Schreiberinn nicht die Lebendigkeit von 1979 meint.Die kenn ick!!



    Das Rumgegurke nach 1990 im PdR. O.K. Das ist es doch nicht!



    ......Förderverein Palast der Republik beitreten...



    Bei der Grundsteinlegung sagte Erich Honecker zu den Grundzügen des «gesellschaftlichen Auftrags»:



    «Dieser Palast der Republik soll ein Haus des Volkes sein, eine Stätte verantwortungsvoller Beratungen der höchsten Volksvertretung unseres Arbeiter- und Bau-ern-Staates, ein Ort wichtiger Kongresse und internatio-naler Beratungen. Unsere sozialistische Kultur wird hier ebenso eine Heimstatt finden wie Frohsinn und Gesellig-keit der werktätigen Menschen.»

    Bau auf ,bau auf ....

    • @Ringelnatz1:

      Ich schließe mich an!

      Vor allem: Flussbad!

      Das einzige, in dem ich jemals badete, war ein verwittertes, altes aus Holz am Ufer der Moldau in Prag.

      Die Tschechen waren in Sachen Warnschilder und Absperrungen ein bisschen lässig und so schwamm ich bis in die Mitte des Flusses und wäre dabei fast Opfer eines Lastkahns geworden.

      Um meine Nerven wieder zu erden, brauchte ich einige Staropramen.

      Und jetzt alle: Weg mit dem Schloss!